Blick in die Zukunft: Die TGA-Fachplanung muss sich immer schneller an neue Rahmenbedingungen anpassen. (Quelle: Free-Photos auf Pixabay)

Planung

6. October 2021 | Teilen auf:

„Die Potenziale des Building Information Modeling sind unermesslich“

Prof. Dr. Andreas Henne leitet seit mehr als 10 Jahren das Institut für Technische Gebäudeausrüstung (TGA) an der TH Köln. Im Interview mit TI-Technische Isolierung erzählt er, wie sich der Fachbereich im letzten Jahrzehnt entwickelt hat, warum sich gutes Marketing auf die Bewerberzahlen auswirkt und weshalb die TH eine Professur im Bereich Building Information Modeling (BIM) ausschreibt.

TI: Herr Prof. Henne, wie hat sich der Studienbereich rund um die TGA in den vergangenen Jahren entwickelt – gibt es heute andere Schwerpunkte im Bachelorstudiengang „Energie- und Gebäudetechnik“ bzw. im Master „Green Building Engineering“?

Andreas Henne: Oh ja, die Weiterentwicklung ist fast schon dramatisch. Und das trägt nicht gerade zur Vereinfachung des Studienbetriebs bei. Früher sprach man weitestgehend, aufbauend auf den Grundlagen des allgemeinen Maschinenbaustudiums, von den klassischen Gewerken HKSE, also Heizung, Klima, Sanitär und Elektro. Heute sind Themenfelder hinzugekommen, aus denen man einzelne Studiengänge machen könnte wie: Brandschutz, Einsatz erneuerbarer Energien, Fragestellungen zu Gesundheit und Komfort, juristische bzw. betriebswirtschaftliche Fragestellungen etwa zum BGB, zur Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen oder zur Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), IT in der TGA, die komplexe Gebäudeautomatisierung und – on top – Building Information Modeling (BIM).

TI: Was bedeutet das für Ihr Institut?

Andreas Henne: Wie sehen uns mit der Herausforderung konfrontiert, dass wir das alles gerne lesen und unterrichten würden, was nicht geht. Es stellt sich also immer wieder dir Frage, was wir außen vor lassen können und ob die Lehre dadurch an Tiefgang verliert. Das ist nicht einfach!

TI: Umweltschutz und Energieeffizienz zählen zu den wichtigsten Themen unserer Zeit und haben auch in der TGA einen hohen Stellenwert. Wie groß ist der Einfluss auf die Baubranche bzw. die TGA?

Andreas Henne: Der Einfluss ist, in jeglicher Form von Gebäudenutzung, extrem und häufig ja sogar gesetzlich vorgeschrieben. Man könnte sagen, dass die Entwicklung innovativer Gebäudetechnologien von diesen Themen getrieben wird. Die Dämmung bzw. Ummantelung gebäudetechnischer Komponenten ist in der TGA weitestgehend gesetzlich vorgeschrieben, egal ob im Bereich Wärme- und Kälteschutz, bei der Schwitzwasservermeidung, der Akustik oder dem Brandschutz. Doch es geht bei Gebäuden nicht nur um Umweltschutz und Energieeffizienz. Die Themen Gesundheit und Komfort besitzen mittlerweile denselben Stellenwert.

TI: Wie ist das Interesse seitens der Studierenden an „grünen“ Bauthemen?

Andreas Henne: Das Interesse der Studierenden ist riesig groß –  so groß, dass sie sogar lieber gleich einen Studiengang mit einer „grünen“ Namensgebung belegen, als sich für TGA einzuschreiben. Und das, obwohl die Jobperspektiven in der TGA herausragend sind. Das ist ein allgemeiner Trend. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Der Studiengang Verfahrenstechnik hat aktuell aufgrund der Namensgebung ein Akzeptanzproblem. Wenn Sie ihn in „Green Chemistry“ umbenennen würden, wäre er auf einmal frequentiert, da bin ich mir sicher. Das Marketing scheint also im Bildungswesen angekommen zu sein. Als nächstes könnte sogar die Begrifflichkeit „Maschinenbau“ ein ernsthaftes Problem bekommen…

TI: Sie plädieren dafür, dass Anlagen im Sinne des „low tech“-Ansatzes händelbar bleiben müssen. Weshalb ist das wichtig?

Andreas Henne: Es gibt insbesondere in der Planung zu viele Fantasten, die meinen, alles was technisch denkbar ist, könnte auch so montiert werden. Das stimmt zwar in der Theorie. Aber manchmal gibt es auf Computer-Aided Design (CAD) entwickelte „sophisticated technology“. Diese Technik verfügt dann z.B. über einen Primär-, Sekundär-, und einen Tertiärkreislauf. Wenn hier plötzlich eine von zehn Pumpen ihren Dienst quittiert, geht die gesamte Anlage auf Störung. Technik darf in meinen Augen nicht komplizierter sein, als erforderlich. Das ist die Idee, die hinter dem Prinzip „low tech“ steht. Das sollte man bei der Anlagenplanung und -installation immer berücksichtigen.

TI: Das Thema BIM beschäftigt die Baubranche seit Jahren. Welche Relevanz hat es in Ihren Augen für die TGA-Fachplanung?

Andreas Henne: BIM ist im Grunde die wünschenswerte, komplette digitale Vernetzung aller am Bau Beteiligten, die im Bauingenieurswesen schon viel ausgeprägter ist, als im Bereich Architektur und TGA. Die Potenziale sind unermesslich. Alles heute nur ansatzweise Vorstellbare wird umgesetzt werden. Ob das Ganze dann noch BIM heißt ist unerheblich. Das Thema hat auch bei uns in mehreren Modulen einen sehr hohen Stellenwert. Aktuell berufen wir sogar eine Professur für diesen Bereich.

TI: Welche weiteren Themen werden Ihr Institut künftig besonders prägen?

Andreas Henne: Man sieht, dass immer wieder etwas Neues entsteht, mit dem man heute nicht rechnet. Aktuell sind es im Bereich Gesundheit und Komfort zum Beispiel effiziente Lüftungskonzepte zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Dabei muss die TGA diese Themenfelder unbedingt wissenschaftlich angehen und zwar integral, in Kooperation mit Disziplinen wie der Medizin, Biotechnologie, Soziologie, IT oder der Architektur. Es gibt in jedem Fall noch viel zu tun. Worauf sich TGA-Fachplaner darüber hinaus in Zukunft noch einstellen müssen, wird die Zeit zeigen.

Das Gespräch führte Maike Walter.

Der Beitrag ist auch in Ausgabe 1.2021 der Fachzeitschrift TI – Technische Isolierung (Februar) erschienen.

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zuletzt editiert am 09.12.2021