Ein von der Bundesregierung gefördertes Forschungsprojekt soll es künftig ermöglichen, Energieaudits von Industrieanlagen über eine digitale Plattform abzuwickeln. Dadurch werden die Ortung von Energieverlusten, die Kalkulation des Einsparpotenzials hinsichtlich der Dämmkosten sowie die Planung der Maßnahmen deutlich vereinfacht. Erste Feldversuche liefern vielversprechende Ergebnisse. Neue Messtechnik soll die Durchführung noch anwenderfreundlicher machen.
Von Sebastian Fiedler in Kooperation mit CLAUSS und der EiiF. Energieaudits helfen nicht nur dabei, vermeidbare Energieverluste zu erkennen und so den CO₂-Ausstoß zu reduzieren und die Umwelt zu schonen. Über eine Verringerung der Energiekosten steigern sie gleichzeitig die Energieeffizienz und somit die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens. Seit über zehn Jahren bilden die European
Industrial Insulation Foundation (EiiF) und ihre Partner aus der Isolierbranche Ingenieure dazu aus, den nach EN 16247 und
ISO 50002 standardisierten Energieaudit durchzuführen, den sogenannten TIPCHECK (Technical Insulation Performance CHECK). Obwohl Energieaudits mit viel Arbeit verbunden sind, kommen die über 100 geschulten Ingenieurinnen und Ingenieure bereits auf mehr als 2.500 TIPCHECKs. Die Energiekosten, die dadurch bei Anlagenbetreibern jährlich eingespart werden können, belaufen sich auf zweistellige Millionenbeträge.
Forschung zur 3D-Thermografie
Einer Studie der EiiF und des Beratungsunternehmens Ecofys zufolge [1], gehören effektive Energieaudits jedoch bei Weitem noch nicht zum Standard. In zahlreichen Industrieanlagen bleiben gigantische Einsparpotenziale
ungenutzt. Die Folge ist eine unnötig hohe Umweltbelastung. Daher wurde 2016 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt „effiziente Dämmung von Industrieanlange“ (eDIan) ins Leben gerufen. Ziel des Vorhabens: die Entwicklung einer digitalen Plattform für den TIPCHECK, um Energieaudits günstiger, schneller und vor allem flächendeckender anbieten zu können.
Während der ersten drei Jahre der Projektlaufzeit wurde ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich Energieverluste in Industrieanlagen per Thermografie und Lasermessung digital erfassen lassen, die so genannte 3D-Thermografie. Hierfür wird im ersten Schritt mittels terrestrischer 3D-Lasermessung ein millimetergenaues 3D-Abbild von der Anlage erstellt, eine so genannte 3D-Punktwolke. In einem zweiten Arbeitsschritt wird über einen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) entwickelten Laboraufbau, bestehend aus einem Panoramakopf mit Thermografiekamera, ein hochauflösendes und geometrisch kalibriertes 360° Thermografiepanorama aufgenommen und deckungsgleich mit der 3D-Punktwolke kombiniert. Dadurch sind die Geometrien und Oberflächentemperaturen aller Energieverluste bekannt und können beziffert werden. Das in Abbildung 1 gezeigte Beispiel wurde aus drei Standpunkten zusammengesetzt [2].
Eine solche 3D-Punktwolke kann grundsätzlich auch als Planungsgrundlage verwendet werden. Somit sind digitale 3D-Modelle ganzer Anlagen möglich, die sich anschließend über das Building Information Modeling (BIM) mittels Reverse-Engineering-Verfahren in ein CAD-Modell überführen lassen.
In Abbildung 2 ist wiederum ein Ausschnitt des 3D-Thermografiedatensatzes aus
Abbildung 1 dargestellt [3]. Dieser enthält, neben der Geometrie des vermessenen
Objekts, zusätzlich eine RGB-, Intensitäts- und Thermografieabbildung. Das Objekt wird von der Intensitätsabbildung als reflektierte Laserintensität gezeigt. Sie stellt die höchstmögliche Auflösung zur genauen Analyse der Geometrie dar. Der Datensatz zeigt ein trichterförmiges Objekt (Staubabscheider), das ungedämmt und sehr warm ist (ca. 160 °C). Es ist somit nicht nur möglich, Objekte auf Energieverluste zu analysieren (Wärme oder Kälte), sondern auch Energieverluste (Abstrahloberfläche und Temperaturdifferenz) zu vermessen und so das Einsparpotenzial zu beziffern.
Mit der Software, die lediglich einen Webbrowser benötigt, sind Flächen-, Strecken- und Winkelmessungen möglich.
Folgeprojekt ThermoHead
Obwohl das in eDIan entwickelte Verfahren frühzeitig vielversprechende Ergebnisse lieferte, war es in seiner ursprünglichen Form noch zu kostenintensiv und nicht anwenderfreundlich genug. Aus diesem Grund wurde das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Folgeprojekt ThermoHead gestartet.
In dem bis Mitte 2021 laufenden Forschungsvorhaben sollen die in eDIan erlangten Ergebnisse in ein anwenderfreundliches, kostengünstiges und kommerziell erhältliches Produkt überführt werden. Um das zu ermöglichen, hat sich die FHWS mit der Dr. Clauß Bild- und Datentechnik GmbH (CLAUSS) zusammengeschlossen.
Statt eines kostenintensiven, terrestrischen 3D-Laserscanners wird von CLAUSS derzeit ein vergleichsweise günstiger Panoramakopf verwendet ( piXplorer 500 ).

Dieser fertigt geometrisch kalibrierte 360° RGB-Panoramen an, die eine Auflösung von 500 Megapixeln aufweisen. Die Geometrie des vermessenen Objekts lässt sich durch die sogenannte virtuelle Stereophotogrammetrie ermitteln. Hierzu wird an einem beliebigen Standpunkt ein RGB-Panorama aufgenommen, das Stativ um 60 cm erhöht und die Aufnahme wiederholt. Mit einer von CLAUSS entwickelten Software ( View_n_Measure ) kann anschließend über eine photogrammetrische Auswertung eine Streckenmessung erfolgen. Die benötigten Thermografiepanoramen werden mit einem Thermografiepanoramakopf aufgenommen, der auf Grundlage der Erfahrungen aus eDlan entwickelt wurde. Die 360° Panoramen weisen eine Auflösung von 25 Megapixeln auf und sind geometrisch kalibriert [4].
Die Abbildung 4 zeigt den Panoramakopf piXplorer 500 sowie den ThermoHead -Prototyp, mit denen im September 2020 der Feldversuch bei einem Laborglashersteller durchgeführt wurde. Pro Aufnahmestandpunkt beläuft sich die Aufnahmedauer auf 15 Min.
Hierbei können Distanzen bis 20 m abgedeckt werden. Erste Ergebnisse liegen innerhalb einer Stunde vor. Eine vollständige Auswertung ist binnen eines Tages möglich.
Bei dem Feldversuch konnte innerhalb von 15 Min. eine jährliche Einsparung von über 100 MWh, 22 t CO 2 und 3.000 Euro festgestellt werden. An diesem Tag wurden acht Standpunkte im Beisein von Vertretern aus Wirtschaft und Industrie vermessen. Die identifizierten Energieverluste beziffern sich auf mehrere zehntausend Euro pro Jahr.
Marktübersicht „IR-Kompaktkameras“ |
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