Die Energieeffizienz ist kein strategisches Ziel, weshalb Vorschläge zu deren Verbesserung von Unternehmen oft übersehen oder sogar ignoriert werden. (Quelle: fancycrave1 auf Pixabay)

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1. July 2021 | Teilen auf:

Energieeffizienzmaßnahmen: das übersehene Potenzial

Trotz Klimawandel ist das Thema Energieeffizienz für viele Unternehmen weiterhin nicht ausschlaggebend für strategische Entscheidungen. Das Forschungsprojekt Multiple Benefits of Energy Efficiency widmet sich daher der Frage, welche weiteren Faktoren dazu beitragen können, dass Unternehmen in eine verbesserte Energieeffizienz investieren. Eine Befragung definiert vier Kategorien von nicht-energetischen Zusatznutzen, die darauf einzahlen, dass energetische Maßnahmen umgesetzt werden.

In den letzten zehn Jahren hat das Thema Energieeffizienz deutlich an Relevanz gewonnen. Besonders aufseiten der Energienachfrage ist dies ein wesentlicher Weg, die Ziele der Klima- und Energiepolitik zu erreichen. Wann immer wir über Energieeffizienz sprechen, diskutieren wir über das Potenzial und wie viel mehr man tun könnte oder sollte.Der Grund, warum Unternehmen nicht stärker in Energieeffizienz investieren, liegt oft darin, dass sich Projektvorschläge i.d.R. nur auf Energieeinsparungen konzentrieren, was nicht das Kerngeschäft der meisten Firmen ist. Bei Investitionsentscheidungen auf Projektebene werden viele Faktoren berücksichtigt und selten wird ein Thema isoliert behandelt. Unternehmensentscheidungen basieren auf den strategischen Prioritäten und Werten des Unternehmens sowie einer Bewertung der damit verbundenen Risiken und den erwarteten Vorteilen, z.B. eine erhöhte Produktivität, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften oder ein reduzierter Wartungsaufwand. Erst wenn alle Vorteile und Zusatznutzen von Energieeffizienz-Maßnahmen – also auch die nicht-energiebezogenen – quantifiziert und kommuniziert werden, sind Vorschläge wettbewerbsfähig und liefern wichtige Argumente für Unternehmen, Maßnahmen umzusetzen und die Energieeffizienzlücke zu schließen.

Im Gegensatz dazu präsentieren Energieeffizienz-Experten traditionell die Gründe für Investitionen als ein alleinstehendes ­Problem. Die Argumente konzentrieren sich auf die energetische Amortisation, also die Zeit, die eine Investition braucht, um sich durch reduzierte Energiekosten zu amortisieren. Diese Amortisation ist jedoch kein strategisches Ziel. Infolgedessen werden die Vorschläge oft übersehen oder ignoriert, weil sie von Investitionsausschüssen nicht priorisiert werden.

M-Benefits zeigt Unternehmen Vorteile von Energieeffizienzmaßnahmen auf

Unternehmen dabei zu unterstützen, ihren Wettbewerbsvorteil und ihre Energieleistung zu verbessern, ist das Ziel des Forschungsprojekts Multiple Benefits (M-Benefits). Das dahinter stehende Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat einen Ansatz zur Identifizierung, Bewertung und Kommunikation der strategischen Auswirkungen von Investitionen entwickelt, welche die Energieeffizienz verbessern. Strategisch bedeutet in dem Fall, aufzuzeigen, wie ein Energieeffizienzprojekt zur Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens bei der Ausübung ihres Kerngeschäfts beiträgt (siehe Kasten).

Infokasten M-Benefits
Das Forschungsprojekt Multiple Benefits (M-Benefits) hat eine Laufzeit von mehreren Jahren (2018-2021) und wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der EU gefördert. Ziel ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihren Wettbewerbsvorteil und ihre Energieleistung zu verbessern. Dafür wurde ein Ansatz zur Identifizierung, Bewertung und Kommunikation der strategischen Auswirkungen von Investitionen entwickelt, die die Energieeffizienz verbessern. Weitere Infos zu den Tools und zum Projekt finden sich unter: www.mbenefits.eu

Unternehmensbefragung zu nicht-energetischen Zusatznutzen

Anfang 2019 startete das M-Benefits-Projektteam eine Befragung von Unternehmen mit dem Ziel, mehr über deren Bewusstsein für die Zusatznutzen der Energieeffizienz herauszufinden und ob diese mit bestimmten Energieeffizienzmaßnahmen verbunden sind. Hauptinhalte waren neben Unternehmensmerkmalen die bisherigen Investitionen in die Energieeffizienz, die Art der Maßnahmen und inwieweit der Zusatznutzen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurde. Des Weiteren zielt die Umfrage darauf ab, Unternehmen zu finden, die als Pilot-Teilnehmer zum Projekt beitragen möchten.
Mehr als 100 Unternehmen beteiligten sich bisher an der Befragung. Die meisten stammen aus Italien (63 %), gefolgt von Deutschland (13 %), Griechenland (9 %) und Portugal (7,5 %). Über 38 % der Unternehmen haben mehr als 500 Mitarbeiter. Sie stammen hauptsächlich aus dem industriellen Sektor, sind energiebezogene Unternehmen (z.B. Energieversorger, Energieberater) oder Büros.

Ergebnisse der M-Benefits-Umfrage

Viele der bisher befragten Unternehmen konnten über ihre Erfahrungen mit Zusatznutzen von Energieeffizienz berichten, da sie einen Energiemanager beschäftigen und sich bereits mit Energieeffizienzmaßnahmen auseinandergesetzt haben. Fast 50 % gaben an, mit einem Energie- oder Umweltmanagementsystem wie ISO 50001 oder 14001 zertifiziert zu sein. Von den befragten Unternehmen setzten 90 % irgendeine Art von Energieeffizienzmaßnahme um; über 80 % führten bereits ein Energieaudit durch und über 50 % davon setzten Maßnahmen als Ergebnis des Audits um. Die meisten Maßnahmen bezogen sich auf Beleuchtung, Messgeräte oder Überwachung, Druckluft, Klimatisierung und Prozesswärme/-kälte. Bei den Unternehmen, die Maßnahmen umsetzen, ist das Energieeinsparpotenzial das häufigste Entscheidungskriterium, gefolgt von den Kosten der Maßnahmen, der Rentabilität und dem Organisationsaufwand.
Darüber hinaus zielt die Studie darauf ab, mehr über Unternehmen zu erfahren, die keine Energieeffizienzmaßnahmen umsetzen, um Motivationsansätze zu finden. Die häufigste Begründung waren „finanzielle Zwänge“, gefolgt von „andere Investitionen haben Vorrang“, sodass Vorabinvestitionen ein Hemmnis sein können, selbst wenn die Maßnahmen langfristig rentabel sind.
Es wurden hauptsächlich vier Kategorien von nicht-energetischen Zusatznutzen identifiziert, die mit sektorübergreifenden Energieeffizienzmaßnahmen verbunden sind:

Verbesserung der Arbeitsprozesse (z.B. erhöhte Produktivität bzw. Produktqualität), Positive Auswirkungen auf den Betrieb von Anlagen (z. B. reduzierte Wartungskosten oder Störungen), Vorteile für die Mitarbeiter und die Arbeitsbedingungen (z.B. verbesserte Sicherheit, Gesundheit oder Komfort), Reduktion von (Material-)Verbrauch, Abfall und Emissionen.

Einige dieser Faktoren können mit bestimmten Maßnahmen verknüpft werden, da z.B. Maßnahmen im Zusammenhang mit Prozesswärme und -kühlung oft zu reduzierten Emissionen und reduziertem Wartungsaufwand beitragen. Maßnahmen zur Verringerung der Abwärme sind in hohem Maße mit reduzierten Produktionskosten verbunden, während Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beleuchtung oft die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter verbessern. Die Unternehmen gaben zudem an, dass mehrere dieser Vorteile eine größere Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen könnten, je nach Relevanz dieser Zusatznutzen. Reduzierte Betriebs- und Wartungskosten, reduzierte Produktionskosten und Verluste werden als Entscheidungsfaktoren am höchsten bewertet.

Fazit

Die energetische Amortisation ist für Unternehmen kein strategisches Ziel, weshalb Vorschläge zur Verbesserung der Energieeffizienz oft übersehen oder ignoriert werden.
M-Benefits will dazu beitragen, Unternehmen zu motivieren, entsprechende Maßnahmen stärker zu berücksichtigen. Im Rahmen der Umfrage wurden vier nicht-energetische Zusatznutzen identifiziert, die helfen können, Entscheidungen über Energieeffizienzmaßnahmen zu unterstützen und Unternehmen eine Grundlage zu bieten, die Vorteile in ihre Investitionsrechnungen einzubeziehen.

Dr. Katharina Wohlfarth

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI).

Der Beitrag ist auch in Ausgabe 2.2021 der Fachzeitschrift TI – Technische Isolierung (Juni) erschienen.

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zuletzt editiert am 15.09.2021