Im September 2019 hat die Maschinenbau-Fakultät der Leibniz-Universität Hannover ihren Campus in Garbsen eröffnet. Zum Sommersemester 2021 soll der Regelbetrieb starten. Bestandteil der technischen Ausstattung sind auch zwei moderne Schallmessräume.
Seit dem Spatenstich im Dezember 2015 ist auf dem über 20.000 m² großen Maschinenbau-Campusgelände in Garbsen vor den Toren Hannovers sehr viel passiert: Neben drei Institutsbauten wurden in weniger als vier Jahren ein Forschungsbau, ein Hörsaalgebäude, eine Mensa, ein Studierendentreff sowie ein Technikhaus errichtet. Die feierliche Eröffnung fand bereits im September 2019 statt. Zum Sommersemester 2021 stehen die Einrichtungen den rund 5.300 Studierenden und Beschäftigten der Fakultät vollumfänglich zur Verfügung. Die moderne Ausstattung soll eine zeitgemäße und zukunftsweisende Forschung und Lehre im Maschinenbau ermöglichen. Teil dessen sind auch zwei Schallmessräume, die von G+H Schallschutz installiert wurden.
Bautafel |
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Einbau von zwei reflexionsarmen Schallmessräumen nach DIN EN ISO 3745:2017 (Schallmessraum IDS und IMR) jeweils ausgebildet als Vollraum Auskleidung für eine untere Grenzfrequenz von 100 Hz: Keilabsorber G+H, Typ Asonad MF 25 Prüfstände mit hochabsorbierender Akustikauskleidung Sonex-W, insgesamt ca. 4.800 m² Bewertung nach ISO 11654: Bewerteter Schallabsorptionsgrad αw = 1,00 (Schallabsorptionsklasse: A) Akustische Wand- und Deckenverkleidung in der Großkompressorstation zwei Zuluftschalldämpfer mit einem Volumenstrom von je 150.000 m³ für die Frischluftzuführung Abluftschalldämpfer für einen Gitterwindkanal | Auslegung der Zuluftschalldämpfer: Dämpfung des sich im Gasstrom fortpflanzenden Schalls auf einen Schalldruckpegel LpA = 65 dB (A), gemessen in 1 m Abstand von der Ansaugöffnung (außen), basierend auf dem vorgegebenen Ausgangsspektrum für die Maschine (Großgerät) mit einem Schalldruckpegel LpA = 123,6 dB (A) in 1 m Kulissenschalldämpfer, Befestigung innerhalb des Gebäudes vor der bauseitigen Betonwandöffnung auf ca. 6 m; mit Umlenkhaube von der Gebäudewand auf den Schalldämpfer Dämpfung des sich im Gasstrom fortpflanzenden Schalls auf einen Schalldruckpegel LpA = 65 dB (A), gemessen in 1 m Abstand nach der Abluftöffnung (außen) Basierend auf dem vorgegebenen Ausgangsspektrum für die Maschine (Windkanal) einem Schalldruckpegel LpA = 105,9 dB (A) in 1 m Installation von ca. 1.200 m² Sono Typ R (Decken-Kompaktabsorber) |
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Unterschiedliche Schutzanforderungen
Der Campus ist das zurzeit größte Hochschulbauprojekt in Niedersachsen – und die größte Neubaumaßnahme in der Geschichte der Universität Hannover.
Auch für G+H Schallschutz war das Teilprojekt „Schallmessräume für den Campus Maschinenbau Garbsen“ kein alltägliches Unterfangen, wie das Unternehmen berichtet. Denn es galt, die unterschiedlichen Anforderungen der zwölf Institute der Fakultät in Hinsicht auf die Räume und die Prüfstände unter einen Hut zu bringen. Während bestimmte Institute über Schallquellen Lärm auslösen, wollen andere Institute eine Schallübertragung explizit vermeiden. „Deshalb umfasst die Ausstattung der Räume sehr unterschiedliche schallabsorbierende Maßnahmen“ , erklärt Dipl.-Ing. Heiner Bente, Projektleiter des Gesamtprojekts Neubau 2. BA Fakultät für Maschinenbau in Garbsen. „Das betrifft neben den Messräumen die Prüfstandzellen und besonders aufwändig ausgestattete Akustikräume, in denen beispielsweise über Lautsprecher Resonanzen auf Prüflinge einwirken oder in einem anderen Bereich mit neuer Technologie ausgestattete Kraftfahrzeuge nach unterschiedlichen Bewertungskriterien vermessen werden.“ Da z.B. die Großkompressorstation im Forschungsbau einen erheblichen Schalldruck von 120 bis 130 dB(A) auslöst, mussten die Institute mit sehr empfindsamen Geräten in einem anderen Gebäude untergebracht werden. Bei den von G+H Schallschutz eingerichteten Räumen handelt es sich um reflexionsarme Schallmessräume nach DIN EN ISO 3745:2017 (s. Bautafel). Die Auskleidung für eine untere Grenzfrequenz von 100 Hz besteht aus G+H-Keilabsorbern Typ Asonad MF. Mit Sonex-W erhielten die 25 Prüfstände eine hochabsorbierende Akustikauskleidung. Zwei Zuluftschalldämpfer mit einem Volumenstrom von je 150.000 m³ gewährleisten die Frischluftzuführung. Des Weiteren wurden Wand- und Deckenverkleidungen in der Großkompressorstation installiert, ein Abluftschalldämpfer für einen Gitterwindkanal sowie Decken-Kompaktabsorber Sono Typ R in verschiedenen Werkstätten und in einem Schulungsraum.
Regelmäßiger Austausch zwischen beteiligten Akteuren
Im Jahr 2016 erhielt G+H Schallschutz den Zuschlag für das Projekt mit einem Auftragsvolumen von rund 1,6 Millionen Euro. Die terminliche und technische Koordination sowie die Gewährleistung der Arbeitssicherheit auf der Baustelle unter den Bedingungen der Corona-Pandemie erforderten enge Absprachen zwischen der Universität als Bauherrin, den künftigen Nutzern der Schallmessräume sowie G+H Schallschutz. „Die Zusammenarbeit hat ausgesprochen gut und sachlich funktioniert“ , resümiert Kai Brochhagen, Divisionsleiter Industrieschallschutz der G+H Group. Auch durch Covid-19 habe es kaum Stillstände gegeben. „Die einzelnen Gewerke waren unter sich. Weil in acht Gebäuden gleichzeitig gearbeitet wurde, konnten die Teams einfach voneinander getrennt werden. Überall gab es Desinfektionsmöglichkeiten.“
„Es wird keinen Stillstand geben“
Gesamtprojektleiter Heiner Bente ist mit dem Ergebnis der Baumaßnahmen sehr zufrieden: „Wir wollten besser werden und das haben wir geschafft.“ Die neuen Messräume seien lediglich der Status quo, es werde immer wieder Veränderungen geben. „Mit jedem Projekt ändern sich Inhalte, Ergebnisse und Ziele von Forschung und Lehre – dafür ist eine Universität da. Und besonders im Maschinenbau sind die Entwicklungen schnell und tiefgreifend.“ Beste Beispiele dafür seien die E-Mobilität und die Robotik. Die „Schallschützer“ werden daher auch künftig – mit unterschiedlichen Inhalten – in Garbsen zu tun haben . „Es wird keinen Stillstand geben.“
Forschung für die Energiewende
Werkstatt-Decken-Kompaktabsorber Sono Typ R (Quelle: G+H Schallschutz)Die Schallmessräume dienen neben der Lehre auch der Drittmittelforschung, also von Unternehmen finanzierten Projekten. Der Maschinenbau ist die drittmittelstärkste Fakultät der Leibniz-Universität Hannover. Im Zuge der Energiewende läuft derzeit z.B. ein Forschungsprojekt mit großen Energieversorgern. Dabei leitet die weltweit einzigartige Großkompressorstation heiße Luft in die Prüfstandzellen. Das Ziel der Forscherinnen und Forscher: Sie wollen Antriebe für Kraftwerke entwickeln, die auch während kurzer Laufzeiten rentabel arbeiten. Künftig sollen moderne Kraftwerke schnell hoch- und heruntergefahren werden, um die regenerativen Energiequellen effektiver auszunutzen. Bisher ist das Anfahren von Kraftwerken kostspielig und amortisiert sich erst nach längerer Laufzeit. Neue, kleinere und flexibler arbeitende Kraftwerke sollen das ändern.
Letzte Anpassungen vor Regelbetrieb
Auch nach der offiziellen Eröffnung des Maschinenbau-Campus gab es für G+H Schallschutz noch Restarbeiten abzuwickeln, denn die Anforderungen einiger Institute haben sich im Laufe des Projekts verändert. Das sei in Forschungseinrichtungen jedoch nichts Ungewöhnliches, erklärt Heiner Bente. Die Inhalte änderten sich mit Forschungsinhalten, aber auch mit Personen. Derzeit beziehen die Institute der Fakultät sukzessive ihre neuen Räumlichkeiten; im Umfeld des Campus haben sich bereits zahlreiche Unternehmen angesiedelt. Zum Sommersemester 2021 soll der Regelbetrieb des Campus Maschinenbau in Garbsen starten.
Autor
Ulf Möhrke, Fachjournalist
info@easyword-do.de
Der Beitrag ist auch in Ausgabe 4.2020 der Fachzeitschrift TI – Technische Isolierung (November 2020) erschienen. Interessieren Sie sich für weitere Artikel? Digitale Ausgabe lesen? |
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