Planung

7. December 2020 | Teilen auf:

Interview zum Arbeiten mit BIM: Die Gewerkegrenzen überwinden

Beim Arbeiten mit BIM hilft es, Aufgaben in Module zu zerlegen. Um diese Arbeitsweise und Hürden beim digitalen Bauen geht es im Interview mit Dr. Volkmar Hovestadt, Geschäftsführer Digitales Bauen GmbH, und Peter Liebsch, Leiter Digitale Prozesse und Werkzeuge bei der Drees & Sommer SE.

Herr Liebsch, wie weit hat sich BIM mittlerweile als Planungsmethode in Deutschland durchgesetzt?

Peter Liebsch: Wenn wir den Begriff auf die rein modellgestützte Zusammenarbeit reduzieren, dann kommen die großen Marktteilnehmer schrittweise besser ins Laufen. Die Bundesregierung hat vergangenes Jahr über die Arbeitsgemeinschaft „BIM4INFRA2020“ Handreichungen für die Umsetzung des Stufenplans „Digitales Planen und Bauen“ veröffentlicht. Diese Dokumente sind gut und in sich schlüssig. Auch hier kommt Building Information Modeling ins Rollen.

Und wie sieht es bei den unterschiedlichen Gewerken aus?

Peter Liebsch: Ein Viertel bis ein Drittel der Planer arbeitet mit BIM. Wobei sich die technischen Gewerke ein bisschen härter tun als Architekten oder Tragwerksplaner. Bei Generalplanern und -unternehmern, die aufgrund der Abwicklungsmodelle einen großen Teil der Wertschöpfungskette abdecken können, ist das Interesse an durchgängig digitalen Prozessen natürlich größer.

Welche Faktoren spielen eine Rolle dabei, dass man in Deutschland heute noch nicht weiter ist?

Peter Liebsch: Es besteht eine große Diskrepanz zwischen dem, was möglich wäre, und dem, was getan wird. Es hat viel mit Gewohnheiten und Kommunikation zu tun. Ein Problem ist aber auch die Größe der Planungsbüros. Bei einem Büro mit drei bis sechs Mitarbeitern sind die Investitionen in Softwarelizenzen und Schulungen schwieriger zu verteilen als bei größeren Büros.

Dr. Volkmar Hovestadt: BIM hat sehr viel mit integraler Planung zu tun, und hier hakt es besonders. Das ist gar kein digitales Problem. Es ist einfach die Art, wie wir Planer zusammenarbeiten. Wir müssen die Gewerkegrenzen überwinden, um auch beim BIM weiterzukommen. Zu oft geht‘s nach dem Prinzip: Warum soll ich etwas lösen, von dem andere einen Nutzen haben?

Warum soll ich ausführlich planen, wenn die nächste Firma die Planung ohnehin noch einmal macht mit ihren eigenen Produkten?

Peter Liebsch: Das erleben wir teilweise auch innerhalb eines Unternehmens, wenn die drei Bereiche der Bauabteilung, der späteren Nutzer und des Immobilienbetriebs nicht ausreichend zusammenarbeiten und die jeweiligen Anforderungen nicht rechtzeitig kommunizieren.

Wie lassen sich solche Strukturen Ihrer Meinung nach aufbrechen?

Dr. Volkmar Hovestadt: Mit unserem Prinzip der digitalen, modularen Planung durchbrechen wir die Gewerkerollen. Bisher ist es so, dass die Architekten in der Planung vorneweg laufen und die anderen Fachdisziplinen jede für sich einzeln folgen. Dabei beschreiben sie nur etwa zwanzig Prozent aller Bauteile. Mit unserer Methode beschreiben wir ein Haus als ein Produkt – ein Produkt, wie es auch ein Auto oder ein Schiff ist. Wir zerlegen es in Teilsysteme, in Fassade, Haustechnikzentrale und so weiter. Die Fassade würde dann zum Beispiel der Karosserie beim Auto entsprechen, die Haustechnikzentrale dem Motor. Jedes Teilsystem wird von einem interdisziplinären Team bearbeitet.

Wie kommt hier BIM ins Spiel?

Dr. Volkmar Hovestadt: Wir beschreiben die Teilsysteme mithilfe von separaten BIM-Modellen. Durch die Teilung werden sie deutlich übersichtlicher.

Sie verwenden den Begriff des Modularisierens. Was verstehen Sie darunter?

Dr. Volkmar Hovestadt: Modularisierung bedeutet, eine Planungsaufgabe in Teilaufgaben zu zerlegen, die dann parallel bearbeitet werden können. Um noch einmal das Beispiel Auto zu wählen: Der Motor ist ein Modul, eine Blackbox. Ihn zu planen, ist eine Teilaufgabe, an der ein Team arbeitet. Die anderen Teams müssen nicht wissen, was drinsteckt. Aber der Motor braucht standardisierte Schnittstellen, um beispielsweise mit der Elektrik verbunden zu werden oder in die Karosserie zu passen. Wir erstellen einen Projektstrukturplan, der die Gliederung in Teilsysteme definiert und gewährleistet, dass schlussendlich alle Teile über klar definierte Schnittstellen verbunden sind.

Peter Liebsch: In jedem Modulteam sind alle Gewerke vertreten. So kann man Planungsprozesse auch parallel schalten, vorausgesetzt, man hat eine ausreichende Zahl an Mitarbeitern. Dadurch lässt sich Zeit gewinnen.

Welche weiteren Effizienzgewinne gibt es?

Dr. Volkmar Hovestadt: In jedem Teilsystem versuchen wir, Wiederholungen herauszuarbeiten. Nehmen wir das Beispiel Schächte oder Flure: Alles, was in einem Gebäude mehrfach vorkommt, wird nur einmal geplant. Wir können durch unseren Planungsansatz die Gleichteile in Gebäuden um den Faktor fünf erhöhen. Bauprozesse werden dadurch rationalisiert. Die Möglichkeit zur Vorfertigung steigt. Gleichzeitig reduziert sich die Datenmenge durch den Kopiereffekt erheblich. Wir reduzieren die Komplexität von Bauprojekten im Vergleich zur konventionellen Planung um 80 Prozent und auch die Baukosten sinken um bis zu 20 Prozent. Das lässt sich auch auf Häuser anwenden, die komplett amorph sind: Wir arbeiten Regeln und auf dieser Basis Module heraus. Gerade bei Freiformen ist jede Regel, die man findet, Gold wert.

Interviewpartner:

Dr. Volkmar Hovestadt, Geschäftsführer Digitales Bauen GmbH | www.digitales-bauen.com

Peter Liebsch, Leiter Digitale Prozesse und Werkzeuge bei der Drees & Sommer SE | www.dreso.com

Das Gespräch führte Roswitha Loibl.

Der Beitrag ist auch in Ausgabe 4.2020 der Fachzeitschrift TI – Technische Isolierung (November 2020) erschienen.
zuletzt editiert am 22.11.2021