Rohrleitungen einer Kälteanlage gedämmt mit PU-Ortschaum.
Effizient, vielseitig und direkt vor Ort einsetzbar – PU-Ortschaum ist ein Dämmstoff für anspruchsvolle Anwendungen in der Kälte- und Wärmetechnik. Ob unregelmäßige Untergründe, Temperaturen bis –180 °C oder mechanische Belastungen: Der fugenlos aufgetragene Polyurethan-Hartschaum überzeugt durch seine Dämmwerte, Druckfestigkeit und nachhaltige Weiterentwicklung. Erfahren Sie, welche technischen Anforderungen, Normen und Verarbeitungsvorgaben dabei zu beachten sind – und warum PU-Ortschaum heute mehr kann als je zuvor.
Bei der Verwendung von PU – Ortschaum wird der Dämmstoff Polyurethan – Hartschaum direkt vor Ort – also an der Verwendungsstelle auf der Baustelle – hergestellt.
Das flüssige Reaktionsgemisch lässt sich hierbei fugenlos auftragen und ermöglicht auch bei unregelmäßigem Untergrund eine vollflächige Dämmung. Dabei kann das flüssige Reaktionsgemisch auch bei komplizierten Geometrien und schwierigen Einbausituationen verwendet werden. Die fertige Isolierung hat eine hohe Druckfestigkeit. Außerdem sind die gedämmten Bauteile begehbar. Der PU – Ortschaum ist der ideale Dämmstoff für Kältedämmungen bis –180 °C Betriebstemperatur.
Durch die Herstellung vor Ort fallen deutlich geringere Transportkosten an, da nicht der leichte, voluminöse Dämmstoff (Rohdichte ca. 45 – 60 kg/m3) sondern die flüssigen Komponenten transportiert werden.
Die Verarbeitung des PU – Ortschaumes geschieht mit mobilen PU – Verarbeitungsmaschinenv or Ort.
Durch die Herstellung vor Ort fallen geringe Transportkosten an.
Aktuelle Normen
Für die Isolierung von betriebstechnischen Anlagen gelten die harmonisierten europäischen Normen EN 14319-1 und EN 14320-1:
Wärmedämmstoffe für die technische Gebäudeausrüstung und für betriebstechnische Anlagen in der Industrie – An der Verwendungsstelle hergestellter Wärmedämmstoff aus Polyurethan (PUR)- und Polyisocyanurat (PIR)-Gießschaum – Teil 1: Spezifikation für das Schaumsystem vor dem Einbau; Deutsche Fassung EN 14319-1:2013:
Wärmedämmstoffe für die technische Gebäudeausrüstung und für betriebstechnische Anlagen in der Industrie – An der Verwendungsstelle hergestellter Wärmedämmstoff aus Polyurethan (PUR)- und Polyisocyanurat (PIR)-Spritzschaum – Teil 1: Spezifikation für das Schaumsystem vor dem Einbau; Deutsche Fassung EN 14320-1:2013
Diese europäischen Normen benennen die Prüfnormen für die wesentlichen Eigenschaften und klassifizieren diese.
Leider werden keine Mindestanforderungen wie Mindestrohdichte, Druckfestigkeit oder Geschlossenzelligkeit für die jeweilige Anwendung beschrieben.
Die Entzündungstemperatur sowohl für PUR als auch PIR liegt in der Regel bei über 400 °C.
Polyurethan vs. Polyisocyanurat
Heute wählt man die Abkürzung PU und fasst damit Polyurethan (PUR) und Polyisocyanurat (PIR) zusammen. Der Übergang ist hierbei fließend. Je mehr Isocyanat in der Formulierung verwendet wird, desto mehr Polyisocyanurat kann gebildet werden. Das im Überschuss vorhandene polymere MDI reagiert mit sich selbst, und es entsteht eine sehr stabile Sechsringstruktur, das sogenannte Polyisocyanurat.
Man spricht ab einer Kennzahl von 180 von einem PIR – Schaum. Die Kennzahl (auch Index genannt) ist das Verhältnis zwischen Isocyanat und Polyol (Hydroxylgruppen). Durch den höheren Anteil an aromatischen Isocyanat verbessert sich das Brandverhalten des ausreagierten Dämmstoffes und es kann mit weniger Flammschutzmittelzusatz im Vergleich zu, Polyurethan die gleiche Brandklassifizierung erreicht werden. Hierbei ist es wichtig, dass das Brandverhalten immer durch entsprechende Brandprüfungen nachgewiesen wird. Die pauschale Aussage, dies ist ein PIR – Schaum, ist auf keinen Fall ausreichend.
Ein besseres Brandverhalten für Polyisocyanurat-Hartschäume wird allgemein erst mit einem Index von > 300 erreicht [1]. Dies ist unter Baustellenbedingungen mit den handelsüblichen Verarbeitungsmaschinen nicht realisierbar. Das Brandverhalten hängt sehr stark von der jeweiligen Formulierung ab. Ein wesentlicher Unterschied zwischen PUR- und PIR-Schaum besteht häufig auch hinsichtlich der gewählten Polyole. Oft werden beim PIR – Schaum Polyesterpolyole mit geringerer Funktionalität eingesetzt [2]. Dies hat beispielsweise Einfluss auf die Dimensionsstabilität bei Wärmeeinwirkung unter Belastung.
Die Entzündungstemperatur sowohl für PUR als auch PIR liegt in der Regel bei über 400 °C.
PU – Ortschaum darf nur durch geschulte Ortschäumer verarbeitet werden.
AGI Arbeitsblatt Q138[3]
Die europäischen Ortschaumnormen wurden im Juni 2018 in das AGI Arbeitsblatt Q138 implementiert. Die AGI Q 138 regelt die Anforderungen an das PU – Ortschaumsystem, sowie an den PU – Ortschäumer. Hiernach dürfen nur CE – gekennzeichnete Ortschaumsysteme verwendet werden, die die Anforderungen nach der AGI Q 138 erfüllen. Dies ist durch eine Erstprüfung, der sogenannten Eignungsprüfung Stufe 1, nachzuweisen. Der PU – Ortschaum darf nur durch geschulte Ortschäumer verarbeitet werden, die einen Befähigungsnachweis besitzen. Dieser Befähigungsnachweis wird von der Bundesfachabteilung Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., der Bundesfachgruppe Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und der Güteschutzgemeinschaft Hartschaum e.V. nach erfolgreich bestandener Schulung ausgestellt. Ein entsprechender PU-Vorbereitungslehrgang und Prüfungen im Komzet Bau Bühl finden jährlich statt [4]. Der Ortschäumer macht mit dem zu verarbeitenden Ortschaumsystem, zusammen mit seiner PU – Verarbeitungsmaschine, eine Güteprüfung, die der Eignungsprüfung Stufe 2 entspricht. Durch diese Güteprüfungen wird ein hohes Maß an Qualität sichergestellt.
Innerbetriebliche Maßnahmen zur Gütesicherung bei PU – Ortschaum werden auch in der Isoliertechnik 1-99 [5] beschrieben.
Bei der Weiterentwicklung stehen Themen wie Nachhaltigkeit und Recycling ganz weit oben.
Eigenschaften von PU – Ortschaum
Nach der AGI Q 138 erfüllt der PU – Ortschaum die folgenden (Mindest-) Eigenschaften:
Rohdichte
Bei Anwendung in einem Temperaturbereich von
- 50 °Cbis + 100 °C:≥ 45 kg/m³
- 180 °C bis - 51 °C: ≥ 55 kg/m³
Druckfestigkeit
≥ 150 kPa
Geschlossenzelligkeit
≥ 85 %
Brandverhalten
PU-Ortschaum muss mindestens normalentflammbar sein. Dies entspricht der Euroklasse E nach DIN EN 13501-1. Im Verbund mit nicht-brennbaren Deckschichten kann auf der Grundlage eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses auch die Schwerentflammbarkeit des Dämmsystems nach DIN 4102 nachgewiesen werden.
Die Schwerentflammbarkeit kann nach EN 14319-1 auch durch eine Prüfung im SBI – Test (DIN EN 13823) nachgewiesen werden.
Dimensionsstabilität bei Wärmeeinwirkung unter Belastung
Der PU-Ortschaum, hergestellt nach dem Gießverfahren, gilt als ausreichend „dimensionsstabil bei Wärmeeinwirkung unter Belastung“, wenn sich die Dicke der Probekörper bei der Prüfung bei 100 °C um nicht mehr als 5 % im Mittel verändert hat.
Dimensionsstabilität bei Kälteeinwirkung
Die Probekörper gelten als ausreichend „dimensionsstabil bei Kälteeinwirkung“, wenn sich die Maße (Länge, Breite, Dicke) bei der Prüfung bei –30 °C jeweils um nicht mehr als 2 % verändert haben.
Wärmeleitfähigkeit
Bei der Wärmeleitfähigkeit wird in der AGI Q 138 noch die Wärmeleitfähigkeit ohne die metallische Ummantelung betrachtet. Die metallische Ummantelung dient aber nicht nur als Oberflächen- und Witterungsschutz, sondern auch als Dampfbremse. Hierdurch wird auch die Wärmeleitfähigkeit des PU – Ortschaums deutlich verbessert, da das Zellgas Kohlendioxid zu einem großen Anteil in den Zellen verbleibt. Die verbesserte Wärmeleitfähigkeit kann nach den harmonisierten europäischen Normen auch dargestellt werden. Um den Nennwert zu erhalten muss auf die Messwerte ein fester Zuschlag addiert werden, der bei diffusionsdichten Deckschichten 0,006 W/m∙K beträgt (für den wassergetriebenen PU-Ortschaum), anstelle von 0,010 W/m∙K ohne Deckschichten bzw. mit diffusions-offenen Deckschichten.
Die Messwerte (Anfangswerte nach EN 12667 für verschiedene PU – Ortschaumsysteme (wassergetrieben) entsprechen dem folgenden Diagramm):
Die in der AGI Q 138 dargestellten Eigenschaften sollten als Mindestanforderung verstanden werden. Durch den Einsatz von physikalischen Treibmitteln (auf Basis von HFO, teilfluorierte Olefine) sind geringere Wärmeleitfähigkeiten möglich.
Durch den Einsatz von PIR – Ortschaum können obere Anwendungsgrenztemperaturen von bis zu +170 °C erreicht werden:
Bei den Flammschutzmitteln kann auf halogenierte Flammschutzmittel verzichtet werden.
Weiterentwicklung von PU – Ortschaum
Die Entwicklung von PU – Rohstoffen und PU – Systemen ist nicht stehen geblieben, sondern geht stetig weiter. So stehen Themen wie Nachhaltigkeit und Recycling ganz weit oben. Polyurethan – Reste können heute durch chemisches Recycling (Glykolyse) wieder verflüssigt werden, wobei die ehemaligen Produkt-eigenschaften bei der Neuvernetzung erhalten werden können [6].
Es können auch biobasierte Rohstoffe in das PU – Ortschaumsystem eingebaut werden. Hierbei sind bspw. Polyole auf Basis von Rizinusöl, Tallöl und Rapsöl zu nennen.
Bei den Flammschutzmitteln kann auf halogenierte Flammschutzmittel verzichtet werden, ohne bei der Brandklassifizierung Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.
Die Rohstoffe für die Herstellung von Polyurethanen sind aktuell noch weitestgehend erdölbasiert, aber durch den Massenbilanzansatz können diese Rohstoffe bereits heute auch aus Biomasse und Recyclingmasse hergestellt werden. [7]
Foto: Lackfa
Bildung von Polyisocyanurat
Foto: Lackfa
Wärmeleitfähigkeit PU-Ortschaum in Abhängigkeit von der Temperatur.
Foto: Lackfa
Bestimmung der oberen Anwendungsgrenztemperatur nach EN 14706.
Literaturverzeichnis:
[1] EP 1 924 356 B1 VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON POLYISOCYANURAT HARTSCHAUM 21.08.2006
[2] Umweltforschungsplan des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Forschungsbericht 204 08 542 (alt) 297 44 542 (neu) - Erarbeitung von Bewertungsgrundlagen zur Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel
[3] Technische Isolierung, Gentner Verlag, PU-Vorbereitungslehrgang und Prüfungen im Komzet Bau Bühl, 23.06.2022
[4] AGI Arbeitsblatt Q138: Polyurethan-Ortschaum für Wärme- und Kältedämmungen an betriebstechnischen Anlagen Eigenschaften, Herstellung, Ausführung von Dämmsystemen, Juni 2018
[5] Hartmut Bartschat, Ute Kröger „PUR – Ortschaum – Innerbetriebliche Maßnahmen zu Gütesicherung bei der Herstellung“ Isoliertechnik 1∙99, Seite 32-38
[6] PET- und Polyurethanreststoffe recyceln – mit chemischen Lösungen von RAMPF, Foam Expo North America 2023.
[7] Mit Massenbilanzansatz zu klimaschonendem MDI, KIWeb, 08.03.2022
Foto: Lackfa
PU – Verarbeitungsmaschine Typ HD-2
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