Industrie 4.0 – die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie mit Hilfe von IT – war einmal, so die Ansicht der Experten: Mit dem E4SM-Projekt starte die TU Ilmenau in das Zeitalter von Industrie 5.0, die den Menschen wieder ins Zentrum von Fertigungsprozessen in Industrie und Handwerk stelle. Menschen und Maschinen würden dabei mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz so aufeinander eingestellt, dass neue Fertigungsaufgaben schneller und effizienter als bisher gelöst werden könnten.
Intelligente Maschinen und Roboter, die den Menschen in der industriellen Produktion helfend zur Seite stehen – das war vor fünf Jahren die Vision des E4SM-Projekts. Das Ziel laut Pressetext: Die Roboter sollten, KI-gestützt, die eigenen Handlungen autonom auf die der Menschen abstimmen. Dabei stünden die Anforderungen und Besonderheiten von Fertigungs- und Montageprozessen kleiner und mittelgroßer Unternehmen, wie sie im mittelständisch geprägten Thüringen vorwiegen würden, im Mittelpunkt.
Laut Mitteilung arbeiteten sieben Fachgebiete der TU Ilmenau im E4SM-Projekt eng mit Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammen: dem Honda Research Institute Europe, bekannt für den autonomen humanoiden Roboter „Asimo“, der Robert Bosch GmbH und dem Maschinenbauunternehmen Henkel und Roth aus Ilmenau mit Kompetenz in industrieller Montage, dem Maschinen- und Anlagenkonstrukteur LASO tech Systems aus Suhl, das spezielle Kenntnisse in Schweißtechniken aufweise, dem Ilmenauer Hersteller von Servicerobotern und Roboterplattformen Metralabs und dem TÜV Thüringen mit seiner Expertise für Sicherheitsaspekte.
Auf dem Weg zur Industrie 5.0 erzielte das E4SM-Projekt laut eigenen Angaben zukunftsweisende Durchbrüche.
Durchbruch 1: 3D-Multi-View-Stereosystem zur sicheren Zusammenarbeit von Mensch und Roboter
Von zentraler Bedeutung bei der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter sei die Sicherheit. Um im Zusammenspiel von Mensch und Maschine seine Aufgabe nicht nur perfekt erledigen zu können, sondern auch ohne dabei den Menschen zu gefährden, müsse der Roboter dessen Handlungen im Montageprozess in der realen Umgebung dreidimensional erfassen können.
Dazu setzten die Forscher multimodale Bildgebung ein, bei der Wärmebilder mit RGB-Farbbildern und mit 3D-Punktwolken zu hochgenauen großflächigen dreidimensionalen Abbildungen der Raumumgebung kombiniert worden seien. Bei dem sensorbasierten 3D-Multi-View-Stereosystem kalibrierten sich die verschiedenen Kameras robotergestützt selbst.
Durchbruch 2: Erkennung der Montageaktion und entsprechende autonome Assistenz
Eine perfekte Zusammenarbeit von Menschen mit Robotern – Fachleute sprechen von Mensch-Roboter-Kollaboration – sei vor allem abseits voll automatisierter Produktionsketten notwendig, dort, wo zur Montage von Kleinserien Roboter den Menschen assistieren, indem sie Teilaufgaben übernehmen. Ohne langwierig angelernt werden zu müssen, sollte der Roboter den Fortschritt der Montage beobachten und bei immer wiederkehrenden Aufgaben selbstständig tätig werden.
Ein bedeutsamer Durchbruch bei der kollaborativen Montage durch Mensch und Roboter sei erzielt: KI-basiert erkenne der E4SM-Roboter die Aktionen, die der Mensch gerade durchführt, und auch die dabei verwendeten Werkzeuge und Werkstücke. So erfasse er den jeweiligen Montagefortschritt und könne selbstständig entscheiden, wo er behilflich sein könnte.
Auch könne der Roboter beliebige, ihm vorher nicht bekannte Objekte in der Einsatzumgebung finden und greifen. Nach bisherigem Stand der Technik funktioniere dies nur für vorher definierte, bekannte Objekte. Damit schuf das E4SM-Projekt die notwendigen Voraussetzungen, um vorausschauend zu planen und später benötigte Objekte zu holen und anzureichen.
Durchbruch 3: Flexibles und kostensparendes KI-unterstütztes Laserstrahlschweißen
Beim Laserstrahlschweißen hätten bislang aufwändige und teure Spannvorrichtungen eingesetzt werden müssen, um die Bleche, die miteinander verbunden werden sollten, zu fixieren, so die TU Ilmenau. Die Vision des E4SM-Projekts: Die zu verbindenden Bleche werden von Roboterarmen gehalten.
Mithilfe von künstlicher Intelligenz sei ein entscheidender Durchbruch erzielt worden, indem der Schweißvorgang kontaktlos analysiert und in Echtzeit vorausgesagt worden sei, wann ein Spalt entstehen würde. Durch kontrolliertes Zusammendrücken der Bleche könne dies vermieden werden, sodass der Laser weiterhin beide Bleche treffe und sie somit verschweißen könne. Dabei sage die KI die Kraft vorher, die aufgewendet werden müsse, um die Position der Bleche für den Schweißvorgang optimal anzupassen.
Durchbruch 4: Interaktive visuelle Werkzeugkette für kleine und mittlere Unternehmen
Neben der Entwicklung von KI-gestützten Robotern war es auch Ziel des E4SM-Projekts, für die Industrie Verfahren zu entwerfen, mit denen sie selbst KI-basierte Assistenzsysteme entwickeln könne. Der Durchbruch: Kleine und mittlere Unternehmen würden durch eine interaktive visuelle Werkzeugkette dabei unterstützt, effiziente und sichere Anwendungen zu entwickeln, die in der eigenen Produktion eingesetzt werden könnten. Da hierfür kein detailliertes Fachwissen erforderlich sei, würde der Entwicklungsprozess für Anwender wesentlich vereinfacht.
Über die Carl-Zeiss-Stiftung
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