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Nachgefragt: Wie geht Kommunale Wärmeplanung?

Herr Professor Bücker, wie ordnen Sie die Rolle der Technischen Isolierung bei der Kommunalen Wärmeplanung (Umsetzung des sog. „Heizungsgesetzes“) im Rahmen des GEG ein? 

Zum 1. Januar 2024 treten sowohl die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, oft als „Heizungsgesetz“ bezeichnet, als auch das Gesetz zur Kommunalen Wärmeplanung (Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze) in Kraft. Das neue Gebäudeenergiegesetz schreibt vor, dass in Neubauten und beim Heizungstausch mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien für die Beheizung verwendet werden müssen. Diese Verpflichtung wird zeitlich gestaffelt eingeführt, und es gibt Übergangsregelungen beim Heizungstausch. Zusätzlich ist die Einhaltung dieser Anforderungen an das Vorhandensein einer kommunalen Wärmeplanung in der betreffenden Gemeinde gebunden.

Das Gesetz zur Kommunalen Wärmeplanung wiederum verlangt von den Kommunen, Pläne zu erstellen und Szenarien zu entwickeln, wie sie bis spätestens 2045 treibhausgasneutral mit Wärme versorgt werden können. Dazu sind Maßnahmen zu entwickeln. Das Gesetz schreibt außerdem vor, dass bis Ende 2044 sämtliche Wärmenetze ausschließlich aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden müssen. Bis Ende 2026 müssen entsprechende Pläne für den Ausbau der Wärmenetze und die Dekarbonisierung erstellt werden.

Um die Ziele sowohl des Gebäudeenergiegesetzes als auch des Gesetzes zur Kommunalen Wärmeplanung zu erreichen, sind erhebliche Investitionen sowohl in bestehende Gebäude und Anlagen als auch in Neubauten erforderlich. Bei diesem umfangreichen Projekt spielt die technische Isolierung eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer energieeffizienten Wärmeversorgung, sei es für Raumwärme, Warmwasser oder Prozesswärme.

„Was die Branche heute bereits unternehmen kann, ist die Identifizierung und Betonung der Potenziale, die die technische Isolierung in den Bereichen Ausbau und Transformation von Wärmenetzen, Umrüstung von Wärmeerzeugungsanlagen, Nutzung von Abwärme sowie Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden und industriellen sowie gewerblichen Prozessen bietet.“

Prof. Dr. Dominikus Bücker, Geschäftsführer InEV (Institut für nachhaltige Energieversorgung GmbH

Sie haben bereits kommunale Wärmeplanungen durchgeführt. Wie sieht ein Planungsprozess aus? Gibt es für Sie Standard-Überlegungen, die auf jede Kommune anwendbar sind und können Sie sie uns beispielhaft beschreiben?

Die Kommunale Wärmeplanung durchläuft eine festgelegte Abfolge von Schritten, wie sie im Gesetz vorgeschrieben sind. Zunächst erfolgt eine Eignungsprüfung, um Gebiete zu identifizieren, die höchstwahrscheinlich nicht für die Versorgung über Wärme- oder Wasserstoffnetze geeignet sind. In der Bestandsanalyse werden für alle übrigen Gebiete detaillierte Informationen zum Wärmeverbrauch bzw. Wärmebedarf, vorhandenen Wärmeerzeugungsanlagen und anderen relevanten Energieinfrastrukturen ermittelt. Gleichzeitig werden die Potenziale zur Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien, zur Nutzung von unvermeidbarer Abwärme sowie zur zentralen Wärmespeicherung ausgelotet. Zusätzlich werden die Möglichkeiten zur Energieeinsparung durch Reduzierung des Wärmebedarfs in Gebäuden sowie in industriellen und gewerblichen Prozessen abgeschätzt. Diese ersten drei Schritte sind stark analytischer Natur und legen den Grundstein für die weiteren Planungsschritte, die den Weg zu einer treibhausgasneutralen Wärmeversorgung aufzeigen sollen.

In den darauffolgenden Schritten der Kommunalen Wärmeplanung wird ein Zielszenario entwickelt, das die langfristige Entwicklung der Wärmeversorgung im beplanten Gebiet unter Berücksichtigung der vorherigen Analysen und weiterer Rahmenbedingungen darstellt. Gleichzeitig erfolgt die Einteilung des beplanten Gebiets in voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete, für die spezifiziert wird, welche Wärmeversorgungsarten in diesen Gebieten geeignet sind und welche nicht. Darüber hinaus werden Gebiete mit einem hohen Potenzial zur Energieeinsparung, beispielsweise durch Sanierungsmaßnahmen, identifiziert. Das Gesamtbild zeigt auf, wie die Gemeinde bis 2045 oder früher eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung realisieren kann.Zum Abschluss erfolgt die Entwicklung einer Umsetzungsstrategie mit konkreten Maßnahmen, die geeignet sind, das Ziel einer Wärmeversorgung ausschließlich aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme bis zum gesetzten Zieljahr zu erreichen.

Die Kommunen haben unterschiedliche Fristen für ihre Kommunale Wärmeplanung, je nach Zahl der Einwohner. Wie kann die Branche der Technischen Isolierung frühzeitig unterstützen, damit Kommunen ihre Planung einhalten können?

Im Verlauf des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens wurden die Fristen und Einwohnerzahlen mehrfach angepasst. Im aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung ist festgelegt, dass Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern bis spätestens zum 30. Juni 2026 und Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnern bis spätestens zum 30. Juni 2028 verpflichtet sind, Wärmeplanungen zu erstellen. Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern können, gemäß den Vorschriften ihres jeweiligen Bundeslandes, ein vereinfachtes Verfahren anwenden. Aus meiner Sicht gewinnt die Technische Isolierung vor allem dann an Bedeutung, wenn die im Wärmeplan entwickelten Maßnahmen in die konkrete Planung und Umsetzung übergehen. Dies bedeutet, dass es für die Branche noch keinen akuten Zeitdruck gibt.

Was die Branche heute bereits unternehmen kann, ist die Identifizierung und Betonung der Potenziale, die die technische Isolierung in den Bereichen Ausbau und Transformation von Wärmenetzen, Umrüstung von Wärmeerzeugungsanlagen, Nutzung von Abwärme sowie Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden und industriellen sowie gewerblichen Prozessen bietet. Diese Informationen können den Verfassern von Wärmeplänen dabei helfen, die Potenziale besser einzuschätzen und somit effektivere Maßnahmenpläne zu entwickeln.

Wer fragt wann wen was? – Wie sollten optimalerweise Kommunikationsprozesse/Projektabläufe aussehen, wenn die Technische Isolierung mitgedacht wird? 

Die reibungslose Integration der technischen Isolierung ist von großer Bedeutung, insbesondere im Kontext der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Dies erfordert, dass die Isolierung von Beginn an in die Projektabläufe einbezogen wird. Die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Planern, Handwerkern, Herstellern und anderen Stakeholdern spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie eine zeitnahe Identifizierung von Isolierungsanforderungen und deren nahtlose Integration in den Projektplan ermöglicht.

Die Schaffung regelmäßiger Kommunikationsmechanismen ist essenziell, um den aktuellen Status der technischen Isolierung im Projekt zu verfolgen und bei sich ändernden Anforderungen entsprechend anzupassen. Darüber hinaus ist die Schulung und Sensibilisierung aller Beteiligten für die Wichtigkeit der technischen Isolierung von großer Bedeutung. Die klare Dokumentation der Isolierungsanforderungen und -maßnahmen gewährleistet, dass die Isolierung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Insgesamt sollte die technische Isolierung als integraler Bestandteil von Investitionsprojekten betrachtet werden, um die Energieeffizienz zu steigern und die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

Bei Aufträgen der öffentlichen Hand gibt es viel zu beachten; was ist Ihrer Meinung nach die besondere Herausforderung bei öffentlichen Aufträgen?

Die Teilnahme an öffentlichen Aufträgen bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Auf der einen Seite sind die rechtlichen Vorschriften und bürokratischen Prozesse in der Vergabephase eine Herausforderung, da sie mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden sind. Der Wettbewerb um öffentliche Aufträge kann intensiv sein, was den Preisdruck erhöht und die Margen reduzieren kann. Qualifikationsanforderungen und die Komplexität von Vertragsbedingungen können den Einstieg für kleinere Unternehmen erschweren.

Auf der anderen Seite bieten öffentliche Aufträge die Möglichkeit, in lukrative Projekte einzusteigen und die Geschäftstätigkeit zu erweitern. Die Einhaltung der Qualitäts- und Nachhaltigkeitsanforderungen kann die Unternehmensreputation stärken und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen. Die Abwicklung von öffentlichen Aufträgen erfordert effektives Projektmanagement und bietet die Gelegenheit, Projektmanagementkompetenzen zu entwickeln.

Insgesamt können Unternehmen, die die Herausforderungen bewältigen, von stabilen Einnahmen, einem erweiterten Kundenkreis und einem positiven Image profitieren. Es ist wichtig, die rechtlichen Anforderungen und Vertragsbedingungen sorgfältig zu beachten und eine ausgewogene Strategie zu entwickeln, um die Chancen zu nutzen und die Risiken zu minimieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Petra Frank.

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