Das Hans-Sachs-Berufskolleg in Oberhausen.
Das Hans-Sachs-Berufskolleg in Oberhausen: Hier werden gerade 116 Auszubildende in den Isolierberufen geschult, darunter Handwerks- und Industrie-Isolierer. (Quelle: Redaktion TI)

Betrieb + Ausbildung 13. June 2022 Vom händischen Zeichnen bis zum digitalen Wissensquiz

Das Hans-Sachs-Berufskolleg in Oberhausen bildet derzeit 116 Auszubildende in den Isolierberufen aus, darunter Handwerks- und Industrie-Isolierer. Neben klassischen Matheaufgaben und Dreitafelprojektionen kommen seit Pandemiebeginn auch immer häufiger digitale Tools zum Einsatz. Wir haben die beiden Fachklassen der Grundstufe einen Tag lang begleitet.

Der Schulgong ertönt, Zettelrascheln, Stifteklappern, lautes Stimmengewirr: Es ist Dienstagmittag und die erste Hälfte des Schultages am Hans-Sachs-Berufskolleg ist bereits geschafft. Auch für die 47 Schüler des ersten Ausbildungsjahres aus den Fachklassen WKS- bzw. Industrie-Isolierer geht es damit in die große Pause. Eine halbe Stunde abschalten, bevor sie wieder zurück nach oben in den vierten Stock müssen, wo die nächsten technischen Zeichnungen und Flächenberechnungen geduldig auf sie warten.

Mit Motivation zum Erfolg

Die Nachwuchs-Isolierer sind schon zum dritten Mal seit Beginn ihrer Ausbildung im Herbst letzten Jahres für einige Wochen am Stück in Oberhausen. Die meisten von ihnen sind sich einig: Werkstatt und Baustelle machen viel mehr Spaß, als die Schulbank zu drücken. Doch auch die Theorie gehört dazu. Denn ohne Grundlagen keine Praxis. „Wir unterrichten in den Fächern Baustoff- und Konstruktionstechnik sowie Bautechnische Kommunikation. Das macht zusammen etwas mehr als die Hälfte der Unterrichtszeit aus“,
erklärt Christian Rous, Leiter des Bildungsgangs Isolierer am Hans-Sachs-Berufskolleg. Hinzu kommen allgemeinbildende Fächer wie Deutsch, Sport, Religion, Wirtschaft und Politik. Das Ziel lautet: Möglichst viele der – aktuell nur männlichen – Schüler der Grundstufe durch die Prüfungen bringen, entweder nach zwei Jahren als Isolierfacharbeiter oder nach drei Jahren als voll ausgebildete Handwerks- oder Industrie-Isolierer. Dass das kein Sonntagsspaziergang wird, weiß Christian Rous aus eigener Erfahrung:
„Es kommt leider immer vor, dass einige der Auszubildenden unterwegs auf der Strecke bleiben. Entweder stellen sie nach einigen Wochen fest, dass die Ausbildung doch nichts für sie ist, oder sie schaffen die Prüfung nicht. Trotzdem tun wir als Lehrkräfte natürlich alles dafür, jeden, der den nötigen Willen zeigt, über die Zielgerade zu bringen.“ 

Für das fünfköpfige Lehrerteam des Bildungsgangs ist das nicht immer eine leichte Aufgabe. Denn die Auszubildenden bringen sehr unterschiedliche Kenntnisse und Stärken mit. „Manche verstehen die Aufgabenstellungen sofort, etwa weil sie Abitur gemacht oder vorher schon eine andere Ausbildung absolviert haben. Andere tun sich schwerer. Hier muss man stärker und vor allem individuell unterstützen“, erklärt Sarah Schweiger. Die gelernte Bauingenieurin absolviert gerade ihr zweijähriges Referendariat am Berufskolleg. Sie setzt daher auch auf gegenseitige Unterstützung innerhalb der Klassengemeinschaft: „Mein Ziel ist es, dass wir eine Art Helfersystem etablieren. Das bedeutet, dass diejenigen, die etwas schon können, diejenigen unterstützen, die noch Defizite haben.“

Schulklasse Hans Sachs Berufskolleg
Auch Smartphones und Tablets kommen heute im Klassenraum immer öfter zum Einsatz. (Quelle: Redaktion TI)

Viele Wege führen zur Ausbildung

Der Weg zur Isolierer-Ausbildung verläuft bei vielen der jungen Erwachsenen über Umwege. Für einige ist es bereits der zweite oder sogar dritte Versuch, einen passenden Beruf zu finden. So auch bei Tim Lothmann, Auszubildender bei der Peter Althoff Gmbh in Düren. Er hat zu Beginn seines Berufsweges eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann angefangen. „Aber da habe ich nur am Schreibtisch gesessen und schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist“, erinnert sich der 29-Jährige. Bei seiner darauffolgenden Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer ist wiederum sein Ausbildungsbetrieb insolvent gegangen. „Ich habe mich damals dagegen entschieden, die Ausbildung bei einem anderen Betrieb weiterzuführen, da mir die Arbeit zu eintönig war. Die nächsten Jahre habe ich viel mit Zeitarbeit überbrückt und bin irgendwann in der Gastronomie gelandet. Aber das war keine Dauerlösung.“ Mit der Ausbildung zum Isolierer hofft er, endlich das Richtige gefunden zu haben: „Der Beruf liegt mir. Man ist in der Werkstatt und richtet vor, ist aber auch immer wieder auf anderen Baustellen unterwegs, was den Beruf sehr abwechslungsreich macht. Bei der Arbeit vergeht die Zeit wie im Flug. So muss das sein!"

Auch Fabian Wiedeyer, Auszubildender bei Engels Isoliertechnik in Osnabrück, hatte bereits eine Ausbildung im Kfz-Bereich begonnen, bevor er zur Isolierung umgeschwenkt ist. „Die Tochter meines Chefs war eine Mitschülerin von mir. Sie hat mir vorgeschlagen, im Betrieb ihres Vaters anzufangen. Nach zwei Tagen Probearbeiten habe ich mich für die Ausbildung entschieden“, berichtet der 18-Jährige. „Bisher entspricht die Ausbildung voll meinen Erwartungen.“ Für den 16-jährigen Ben Knops, der die Ausbildung bei Udo Dohlen Isoliertechnik in Stolberg absolviert, war hingegen nach einem Schülerpraktikum klar, dass ihm der Beruf liegt: „Ich wollte immer handwerklich arbeiten. Irgendwann kam mein Chef zu uns in die Schule und hat den Beruf vorgestellt. Es klang interessant und ich habe dort ein Praktikum gemacht. Ich fand es super."

Aufgabenblatt
Die angehenden Industrie-Isolierer sollen eine Dreitafelprojektion eines Zylinders mit Schrägstutzen zeichnen. (Quelle: Redaktion TI)

Wie wird die Skizze korrekt angefertigt? Dabei hilft dieses Video. Der Clip sowie viele weitere digitale Hilfsmittel für dieSchüler werden von Berufsschullehrer Markus Schiborr erstellt.

Plötzlich digital

Während der ersten sechs Monate der Corona-Pandemie im Jahr 2020 musste auch das Hans-Sachs-Berufskolleg von heute auf morgen auf Home-Schooling umstellen. Keine leichte Aufgabe, denn bis dahin war der Unterricht noch voll auf Präsenz ausgelegt. Innerhalb weniger Tage musste sich das Lehrerteam überlegen, wie man die Inhalte sinnvoll vom heimischen Computer aus vermitteln kann. Aus der Not wurde kurzerhand eine Tugend gemacht: Mittels Internet hat das Team versucht, den Unterricht möglichst anschaulich und interaktiv zu gestalten, trotz Distanz und virtueller Tafel. Dafür kam eine digitale Lernplattform zum Einsatz, auf welche die Schüler vom eigenen Laptop, Tablet oder Smartphone zugreifen. Hier können etwa zu bestimmten Themenbereichen Aufgaben gestellt werden, die die Schüler dann virtuell beantworten und mit Bildmaterial ergänzen. Eine Quizapp mit Multiple-Choice Antworten soll darüber hinaus dazu motivieren, das Gelernte weiter zu vertiefen.
"Der spielerische Ansatz funktioniert. Die Schüler können auch von unterwegs, z.B. in der Bahn auf dem Schulweg, leicht ihr Wissen prüfen", berichtet Simon Schäfer, der eine der Fachklassen als Klassenlehrer betreut.

Judith auf der Lake und Schüler
Kommen die Schüler alleine nicht weiter, unterstützt Judith auf der Lake beim Zeichen. (Quelle: Redaktion TI)

Online-Tools weiter im Einsatz

Seit rund einem Jahr kann das Hans-Sachs-Berufskolleg den Unterricht mit entsprechenden Hygienemaßnahmen wieder vor Ort sicherstellen. Die digitalen Strukturen, die während der Pandemie geschaffen wurden, werden jedoch auch weiterhin eingesetzt, wie Sarah Schweiger berichtet.

In der Klasse der Handwerks-Isolierer nutzt sie heute die digitale Lernplattform, um den Schülern das Thema Flächen und Körper näherzubringen. Teil eins der Aufgabe: Gemeinsam überlegen, welche Flächen und Körper in der Praxis relevant sind und die Antworten in die Lernplattform einstellen. Im zweiten Teil sollen die Schüler passendes Bildmaterial recherchieren oder aus ihrem Arbeitsalltag heraussuchen. „Dadurch, dass wir die Inhalte digital sammeln, können die Auszubildenden diese jederzeit abrufen, auch von unterwegs. Das ist zum einen sehr praktisch. Zum anderen sind wir gut vorbereitet, falls wir wieder auf Home-Schooling umsteigen müssten“, erklärt Sarah Schweiger.

Übung macht den Meister

Bei der Grundstufe der Industrie-Isolierer steht dienstags in den letzten beiden Stunden technisches Zeichnen auf dem Plan. Judith auf der Lake, die schon seit vielen Jahren im Bildungsgang Industrie-Isolierer unterrichtet, geht durch die Tischreihen und unterstützt so gut sie kann. Denn die Aufgabe, eine vollständige Dreitafelprojektion eines Zylinders mit Schrägstutzen, bestehend aus Vorderansicht, Draufsicht und Seitenansicht von links, zu skizzieren, fällt vielen noch sehr schwer. Ein QR-Code, den die Schüler mit ihren Smartphones scannen können, führt direkt zu einem Lernvideo, in dem gezeigt wird, wie die technische Zeichnung richtig ausgeführt wird. Auch an dieser Stelle können digitale Tools helfen, den Unterricht anschaulicher zu gestalten und möglichst viele Schüler mitzunehmen. Doch das allein reicht bei weitem nicht aus. Judith auf der Lake hat nichtsdestotrotz alle Hände voll zu tun: Aufgabenstellung erklären, für Ruhe sorgen und ganz nebenbei noch bei Fragen unterstützen. Statt den Schülern die Antworten einfach nur vorzusagen, versucht sie ihnen Tipps zu geben, wie sie nach Möglichkeit selbst auf die richtige Lösung kommen. So lernt es sich deutlich effektiver.

Als um 13:30 Uhr zum letzten Mal für heute der Schulgong für die beiden Isolierer-Fachklassen ertönt, sind alle reif für den Schulschluss. Erneutes Zettelrascheln, Stifteklappern und lautes Stimmengewirr.


Die Schüler packen ihre Sachen zusammen und machen sich auf den Weg nach Hause. Für einige, die nicht aus der Umgebung kommen oder im Internat des Berufskollegs untergebracht sind, wird es eine lange Rückreise werden. Und morgen das gleiche Spiel: Früh aufstehen, um trotz langer Anreise pünktlich im Unterricht zu sitzen.
Doch auch das gehört dazu. Wer sich hier durchbeißt, hat den ersten Schritt, ein guter Isolierer zu werden, schon längst geschafft.

Interview mit Joel Bloch (Bilfinger arnholdt), Nico Lohmann (Kolbe Isoliertechnik) & Joshua Vogel (Bilfinger arnholdt)

Hallo, ihr drei. Wie seid ihr auf den Isolierer-Beruf gekommen?

Joshua: Ich habe schon eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht. So richtig meins war das aber nicht. Währenddessen habe ich nebenher im Bühnenbau gejobbt. Da habe ich den Beruf Industriekletterer kennengelernt. Eigentlich hatte ich mich bei Bilfinger für die Gerüstbauer-Ausbildung beworben, weil ich gehört hatte, dass man damit leichter Kletterer werden kann. Bis zum Bewerbungsgespräch wusste ich gar nicht, was Isolierung ist. Als mein Ausbilder gesehen hat, dass ich Abitur habe, meinte er, dass es auch etwas Anspruchsvolleres für mich gäbe: Industrie-Isolierer. Ich bin ganz gut in Mathe und besitze ein gutes räumliches Verständnis. Während der Probezeiten hat es mir sehr gut gefallen, weshalb ich mich für den Beruf entschieden habe.

Joel: Ich habe einfach einen handwerklichen Beruf gesucht, als Sprungbrett für die Berufsfeuerwehr. Und so bin ich auf den Isolierer gestoßen. Mir hat es von Anfang an Spaß gemacht.

Nico: Ich wollte zunächst Fachabitur machen und informationstechnischer Assistent werden, um irgendwann mal beim Bund in die innere Sicherheit zu gehen, oder etwas Ähnliches. Aber ich habe schnell gemerkt, dass es doch nichts für mich ist. Das ist schon höhere Mathematik. Tatsächlich bin ich dann durch meinen Bruder zum Isolierer-Beruf gekommen. Er ist seit sechs Jahren Geselle in meiner Firma. Der Job macht wirklich viel Spaß. Und die Zusammenarbeit mit meinem Bruder läuft tatsächlich auch sehr gut.

Gerade habt ihr einen Schulblock. Ist das ein notwendiges Übel oder macht es euch auch Spaß?

Joshua: Ich finde es total in Ordnung. Für mich ist die Schule geschenkt. Wenn man im Unterricht aufpasst, schafft man es auch.

Joel: Das sehe ich auch so. Wenn man sich ein bisschen bemüht, kommt man gut durch. Aber von Nichts kommt Nichts.


Nico:
Ich persönlich wäre jetzt lieber in der Werkstatt. Da ist man mehr gefordert und kann die Theorie gleich anwenden.

Joshua: Ich war zuletzt das erste Mal auf einer Baustelle. Das ist schon anstrengend. Und man muss bei Wind und Wetter raus. Egal ob eiskalt oder sommerlich heiß. Dagegen ist Schule angenehm.

Als Isolierer muss man häufig auch auf Montage. Freut ihr euch darauf oder gehört es einfach nur zum Job dazu?

Joshua: Ich habe auf der Baustelle mit älteren Kollegen gesprochen. Die haben erzählt, wo sie schon überall waren. Zum Teil waren sie mehrere Monate weltweit unterwegs. Das war spannend zu hören. Aber wenn man Familie hat, ist das natürlich nicht ohne.

Nico: Beim Bewerbungsgespräch wurde ich schon gefragt, ob ich damit ein Problem habe. Wenn, dann hätte ich den Ausbildungsplatz nicht bekommen. Wir haben relativ viele Festbaustellen in Tschechien, einige in Belgien und einige auf Norderney. Da muss man einfach manchmal weiter weg.

Joshua: Die Zuschläge, die man auf Montage bekommt, machen den Job aber auch zusätzlich attraktiv für mich. Neben dem Gehalt, was ansonsten für eine Ausbildung schon gut ist.

Was macht euch am Beruf am meisten Spaß und was weniger?

Joel: Das Vorrichten ist nicht so meins. Ich bin lieber auf der Baustelle oder im überbetrieblichen Ausbildungszentrum in Hamm.

Nico: Mir machen Schule und Vorrichten am meisten Spaß. Auf dem dritten Platz ist dann die Baustelle.

Joshua: Ich bin gerade gerne in der Werkstatt. Aber wenn ich den Industriekletterer machen kann, dann macht die Arbeit auf der Baustelle bestimmt auch deutlich mehr Spaß.

Habt ihr schon Pläne für die Zukunft?

Nico: Ich will auf jeden Fall die Ausbildung fertig machen und mich auf die Arbeit in der Werkstatt fokussieren. Irgendwann möchte ich vielleicht mal den Meister dranhängen.

Joshua: Das kann ich mir auch gut vorstellen. Man hat in dem Beruf sehr viele Möglichkeiten. Wenn das mit dem Industriekletterer nichts wird, gehe ich erst mal auf Montage. Wenn ich dafür irgendwann zu alt bin, kann ich immer noch in die Werkstatt gehen.

Joel: Die Feuerwehr ist mein langfristiges Ziel, aber kurzfristig wird das erst mal nicht funktionieren. Bis dahin will ich als Isolierer arbeiten, das macht mir auch viel Spaß.

Vielen Dank für eure Offenheit und viel Erfolg!

Joshua Vogel, Bilfinger arnholdt, Nico Lohmann, Kolbe Isoliertechnik, Joel Bloch, Bilfinger arnholdt
Joshua Vogel, Nico Lohmann und Joel Bloch (v.l.n.r.) (Quelle: Redaktion TI)
zuletzt editiert am 13.06.2022