Aerogele sind niederdichte Materialien mit extrem feinen Poren im Nanometerbereich und bestehen zu über 90 % aus Luft. Diese Eigenschaftskombination ermöglicht ihren Einsatz als Superwärmedämmung. Ursprünglich von der NASA für Weltraummissionen entwickelt, sind seit mittlerweile mehreren Jahrzehnten kommerzielle Aerogelprodukte auf Silikatbasis verfügbar. Zu den Pionieren in diesem Bereich gehören das Unternehmen Aspen Aerogels aus den USA sowie die Firma Cabot, die eine Produktionsanlage auf dem ehemaligen Hoechst-Gelände in Frankfurt/Main betreibt.
Problem Staubigkeit gelöst

Da Silikataerogele in Form von Matten oder Partikeln intrinsisch staubig und somit schwierig zu verarbeiten sind, entwickelten aerogel-it-Geschäftsführer Dr. Marc Fricke und COO Dr. Dirk Weinrich bei der BASF das erste kommerzielle Polyurethanaerogel als nicht-staubige Alternative.

Das Produkt, die Polyurethanaerogelplatte SLENTITE®, wurde 2013 erstmalig auf der K-Messe (leitende Fachmesse für die Kunststoff- und Kautschukindustrie) vorgestellt und kam in den Folgejahren in diversen Pilotprojekten vor allem in der Bauindustrie zum Einsatz. SLENTITE® bewährte sich als das bis heute leistungsfähigste Innendämmmaterial z.B. für die energetische Sanierung und wurde mehrfach prämiert. Neben SLENTITE® etablierte die BASF das Handelsprodukt SLENTEX® als einziges nicht-brennbares Silikataerogel für Bauanwendungen.
Nachwachsende Rohstoffe als Basis
Nachdem die BASF beschloss, die Aerogelaktivitäten nicht weiterzuführen, konnten die Gründer nach einer Einigung mit dem Konzern relevantes Know-how sowie Patente übernehmen und in das neue Unternehmen aerogel-it übertragen.
Das Team sah frühzeitig eine Lücke im Markt, da es im Bereich grüner Wärmedämmung wie zum Beispiel Zelluloseflocken, Holzfaserplatten oder Textilmaterialien keine Hochleistungslösung gab, vermutete aufgrund der aktuellen Trends in Richtung Energieeffizienz, CO2-Reduktion und Nachhaltigkeit jedoch starken Bedarf. Von Tag eins an stand daher fest, dass der Fokus auf Aerogelprodukte auf Basis nachwachsender Rohstoffe liegen sollte. Bioaerogele waren bereits Gegenstand universitärer Forschung, jedoch existierte kein Bioaerogel mit kommerziell relevanten Eigenschaften.
Verbesserung der Energieeffizienz durch Einsatz von Lignin
In Rekordzeit gelang es dem technisch starken Team, ein zu 100 % biobasiertes Ligninaerogel mit Superdämmeigenschaften zu entwickeln. Lignin ist ein Nebenprodukt aus der Papierherstellung, welches in großen Mengen anfällt, jedoch aktuell zum größten Teil zur Energieerzeugung verbrannt wird.
Das neu entwickelte Ligninaerogel ist bislang im Pilotmaßstab verfügbar, und aerogel-it arbeitet mit einem weltweiten Partnernetzwerk daran, das Material für verschiedene Anwendungen wie zum Beispiel Bau, Kühlwesen, Thermologistik oder Bekleidung bis zur Serienreife zu bringen. Der Clou dabei ist, dass mit einem Ligninaerogel die Energieeffizienz in der Anwendung und damit die CO2-Bilanz deutlich verbessert werden kann ohne Einsatz nicht-nachwachsender Rohstoffe.
Sehr positiv war für das Team eine Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt im Rahmen des Green-Startup-Programms. „Wir wurden überwältigt von positiven Rückmeldungen aus dem Markt“, so Geschäftsführer Dr. Fricke. „Es zeigt uns, dass wir mit unserem Ansatz auf dem richtigen Weg sind und zur Lösung dringender aktueller Probleme beitragen können.“
Neue kosteneffiziente Produktionstechnologie und Lösungen bis zum Produktionsstart
Die Optimierung der Aerogelproduktion ist ein weiteres Hauptziel des Unternehmens. Bisherige Aerogelprodukte sind verglichen mit Standarddämmstoffen deutlich teurer, was unter anderem auf ineffiziente Produktionsprozesse und teure Anlagentechnik zurückzuführen ist.
Um die Marktakzeptanz von Aerogelen zu verbessern, hat das Team das Thema Kosten fest im Blick und entwickelt kostengünstige und intelligente Produktionstechnologien der nächsten Generation. Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit sind weitere wichtige Kriterien.
Eine erste Produktionsanlage ist in der technischen Planung und soll Ende 2024 an einem Standort in Wallenhorst bei Osnabrück in Betrieb gehen. aerogel-it beschafft aktuell die Finanzierung für das Projekt. Da der Produktionsstart in der Zukunft liegt, aber eine starke Nachfrage nach Hochleistungswärmedämmung im Markt vorhanden ist, bietet aerogel-it bereits Aerogelprodukte an, um Kunden schon heute damit versorgen zu können.
Welche Produkte werden angeboten?
Für einfache Handhabung und Installation bietet aerogel-it die originale SLENTITE®-Platte sowie dünnere Varianten in 1–10 mm Dicke an. Auch maßgeschneiderte Geometrien sind möglich. Die PU-Aerogelplatten zeichnen sich durch Staubfreiheit und eine exzellente Wärmedämmleistung mit einer Wärmeleitfähigkeit von 15–19 mW/(m*K) je nach Produkt aus. Die Platten können einfach zugeschnitten und mit Klebemörtel oder organischen Klebstoffen direkt verklebt werden. Verarbeitungshinweise sind auf der Website des Unternehmens zu finden.
Die Kunden von aerogel-it haben besonders im Innenbereich gute Erfahrungen mit SLENTITE® gemacht, wo das Produkt seine Stärken im Bereich geringer Platzbedarf und Feuchtigkeitsmanagement ausspielen kann. Die Polyurethanaerogelmaterialien erreichen Brandklasse E und können bis zu einer Temperatur von 130 °C eingesetzt werden. Es gibt aktuell noch keine Bauzulassung für die Produkte, sodass je nach Anwendungsfall eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich sein kann.
Für Anwendungen, die Nichtbrennbarkeit oder Flexibilität zum Beispiel bei runden Geometrien erfordern, wird aerogel-it in Kürze Silikataerogelmatten anbieten. Standarddicke ist 10 mm, jedoch werden auch andere Dicken möglich sein. Die Wärmeleitfähigkeit der Produkte wird im Bereich von 18–20 mW/(m*K) liegen. Der Temperaturbereich für den Einsatz wird von –165 °C bis 650 °C reichen. aerogel-it arbeitet aktuell an einer Bauzulassung für die Produkte, sodass mit einem Einsatz bereits in 2023 zu rechnen ist.
Neue Bioaerogele auf Basis nachwachsender Rohstoffe wird aerogel-it nach Produktionsstart in Form von Partikeln mit einem Durchmesser von zirka 1 mm anbieten. Die Bioaerogelpartikel können als Schüttung eingesetzt werden, aber auch ein Zermahlen zu Pulver und anschließendes Verpressen zu Platten ist möglich.
„Wir waren positiv überrascht, wie einfach Presslinge aus unserem Ligninaerogel herzustellen sind. Die Presslinge zeichnen sich zudem durch eine gute Handhabbarkeit aus und setzen keinen Staub frei“, kommentiert Dr. Fricke. Die Ligninbioaerogelpartikel zeigen in der Schüttung je nach Formulierung eine Wärmeleitfähigkeit von 21–23 mW/(m*K) – trotz des Luftvolumens zwischen den Partikeln. In gepresster Form sind 17 mW/(m*K) möglich. Ferner prüft das Team den Einsatz von Bioaerogelen in Vakuumisolationspaneelen (VIPs).
Und was ist noch möglich?
Die Aktivitäten von aerogel-it enden nicht bei Wärmedämmung und Lignin als nachwachsenden Rohstoff. Zusammen mit einem amerikanischen Partner wurde ein Bioaerogel entwickelt, das sich aufgrund der hochporösen Struktur durch besonders gute Beladungs- und Freisetzungseigenschaften für Duftstoffe auszeichnet.
Für einen ganz anderen Bereich werden poröse Karbonmaterialien auf Basis von Bioaerogelen als Elektrodenmaterialien oder Katalysatorträger getestet – mit vielversprechenden ersten Tests. „Wir haben eine weltweit einzigartige und patentgeschützte Bioaerogelplattform entwickelt, die es uns ermöglicht, flexibel Produkte für verschiedene Anwendungen anzubieten“, so Dr. Fricke. Das Team arbeitet sukzessive daran, weitere Anwendungsfelder für Aerogele zu erschließen. Alle Produkte werden mit der ersten Produktionsanlage herstellbar sein.
Der Artikel ist auch in Ausgabe 2.2023 der Fachzeitschrift TI – Technische Isolierung (Juni 2023) erschienen.