Häufig trete eine Störung an einer Maschine unbemerkt auf, so dass sie so lange Ausschuss produziere bis die Qualitätsmängel einer aufmerksamen Mitarbeiterin oder einem aufmerksamen Mitarbeiter auffielen und die Maschine gestoppt würde, so die These. Die Ursachenforschung beginne und Problemlösungen würden gesucht.
Unsystematisch würden Einstellungen an der Maschine geändert und testweise weitere Produkte gefertigt – bis irgendwann die Qualität wieder stimme. Glücklich könne sich laut Aussage schätzen, wer erfahrene Kolleg:innen habe, denen das Problem bekannt sei und die auf Anhieb wüssten, wie man es behebt. Doch solche Fachkräfte seien leider rar, so die Aussage der am Forschungsprojekt Beteiligten.
Problemlöser: Künstliche Intelligenz
An ihre Stelle könne bald Künstliche Intelligenz (KI) treten. Ein Forschungsteam um Jonas Krauß von der Projektgruppe Prozessinnovation am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA hat zusammen mit den Firmen Maincor Rohrsysteme und Maxsyma eine Methode entwickelt, wie KI in die Instandhaltung integriert werden kann.
Algorithmus erkennt fehlerhafte Schweißnähte
Die Firma Maincor Rohrsysteme produziert im unterfränkischen Knetzgau unter anderem kunststoffummantelte Aluminiumrohre für Fußbodenheizungen. Dabei könnten fehlerhafte Schweißnähte ebenso auftreten wie Abweichungen bei der Dicke der Kunststoffummantelung. Beides bedeutete bisher Ausschuss und führte solange zu einem Maschinenstillstand, bis der Fehler gefunden und behoben war.
Produktionsüberwachung mit Kamera und KI
Das Forschungsteam um Krauß habe einen Demonstrator entwickelt, bei dem das Ultraschallschweißen mit Kamera und KI überwacht werde. Ein intelligenter Algorithmus werte die Kamerabilder aus und erkenne fehlerhafte Schweißnähte sofort, wenn sie entstünden.
KI lernt über Fotos von guten und fehlerhaften Schweißnähten
Um die KI zu trainieren, hätten ihr die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Fraunhofer IPA Fotos von guten und fehlerhaften Schweißnähten vorgelegt, bis sie darin ein Muster erkannte. Weil es aber insbesondere von fehlerhaften Schweißnähten nicht genug Bilder gab, musste das Forschungsteam sie zum Teil künstlich erzeugen, um den Lernprozess ihres KI-Modells besser zu unterstützen, so die Meldung.
Abnutzung der Sonotrode des Ultraschallschweißgeräts
Die Sonotrode des Ultraschallschweißgeräts sei ein Verschleißteil. Abnutzung erhöhe den Widerstand und damit den Stromverbrauch. Die Forscherinnen und Forscher um Krauß haben deshalb Strommesszangen an der Leitung befestigt. Ein weiterer Algorithmus analysiert die Messwerte. Den Durchmesser der fertigen Rohre erfasse das Forschungsteam mit einem Röntgenmessgerät.
Abweichungen nach oben deuteten laut den Forschenden darauf hin, dass beispielsweise der Druck im Extruder, der die Kunststoffummantelung aufbringt, zu hoch sei. Ein zu geringer Durchmesser bedeutet zu wenig Druck.
Smart Watch gibt Handlungsempfehlungen
„Sobald die KI eine schlechte Schweißnaht erkennt, den erhöhten Stromverbrauch der Sonotrode registriert oder Abweichungen beim Durchmesser feststellt, erscheint auf der Smart Watch des zuständigen Maschinenbedieners eine entsprechende Meldung“, erklärt Krauß. „Verbunden ist sie mit einer Handlungsempfehlung, damit die Störung schnellstmöglich und ohne unsystematisches Herumprobieren behoben oder rechtzeitig eine neue Sonotrode beschafft wird.“
Workflow-Modelle mit Prozess-Experten entwickelt
Die Handlungsempfehlungen basierten auf sogenannten Workflow-Modellen, die das Forschungsteam zuvor gemeinsam mit Prozessexperten entwickelt habe. Sie bildeten die durchzuführenden Arbeitsschritte ab, die die KI empfehle.
Diese vorausschauende Instandhaltung verbessere nicht nur konkrete Wartungsarbeiten, sondern auch die Produktionsplanung und -steuerung, so die Meldung. Denn wenn im Voraus bekannt sei, wann eine Sonotrode ausgetauscht werde, könne man die Auftragsabwicklung und das Beschaffungswesen entsprechend organisieren.
Einbindung der Funktionen
Die Firma Maxsyma, ein Softwareunternehmen aus Floß in der Oberpfalz, werde die neu entwickelten Funktionen und Softwarebibliotheken nun in ihre bestehende Anwendung »iot2flow« integrieren und so anpassen, dass sie auch für Unternehmen aus anderen Branchen von Nutzen seien.
15- bis 20-prozentige Verkürzung von Maschinenstillständen erwartet
Bei Maincor gehe man indes davon aus, dass das fertige Tool nach seinem Rollout in der gesamten Fertigung die Dauer von Maschinenstillständen um etwa 15 bis 20 Prozent verkürzen und die Ausschussrate um rund 0,5 Prozent senken könne. Außerdem rechne man mit fallenden Kosten für Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie mit Effizienzgewinnen durch eine optimierte Produktionsplanung und -steuerung.