Rohrabschottungen kommen als brandschutztechnische Maßnahmen zur Anwendung, wenn Rohrleitungen durch Wände oder Decken mit Anforderungen an den Feuerwiderstand geführt werden. Zu keiner Zeit darf es zu einer Schwächung des Feuerwiderstandes durch diese Installationen kommen. Grundlegende Schutzziele werden in § 3 und § 14 der Musterbauordnung (MBO) definiert [1]. So dürfen bauliche Anlagen, wenn sie errichtet, geändert oder instandgehalten werden, die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährden (§ 3). In § 14 MBO wird dies für die Brandschutzanforderungen ausformuliert: „Bauliche Anlagen sind so […] zu errichten […], dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und […] Rettung von Menschen sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“
Umsetzung durch Normbrandprüfungen
Der meistverbreitete brandschutztechnische Nachweis über die Wirksamkeit einer Abschottung erfolgt i.d.R. auf Grundlage einer Normbrandprüfung. Je nach Produktart kann man bei einer Vielzahl von Produkten zwischen der deutschen Prüfnorm und dem europäischen Prüfverfahren wählen. Bei Rohrabschottungen ist etwa das zugrundeliegende deutsche Prüfverfahren die DIN 4102-11. Das europäische Pendant ist die EN 1366-3.
Das Ergebnis normativer Brandprüfungen sind Klassifizierungen. In Deutschland gibt es für die jeweiligen Produkte unterschiedliche Buchstaben, so steht „R“ für Rohrabschottungen.

Verwendbarkeitsnachweise: es ist kompliziert
In Deutschland werden auf genannten Klassifizierungen baurechtliche Verwendbarkeitsnachweise von unterschiedlichen Stellen erteilt. In Abhängigkeit des Rohrwerkstoffes (brennbare Rohre/nichtbrennbare Rohre) und der Anwendung (geschlossene Leitungssysteme/offene Abwassersysteme) gibt es unterschiedliche Verwendbarkeitsnachweise. Die Verwendbarkeitsnachweisführung für Rohrabschottungen ist durch stetigen Wandel geprägt. Konstantester Nachweis ist hier noch das AbP, seit 1997 bauaufsichtlich eingeführt.
Die allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (AbZ) begleiten uns seit den 80er Jahren für Abschottungen brennbarer Rohre. Bis 2017 gab es zudem Brandschutz-Parallelwelten von nationalen Zulassungen und Europäischen Zulassungen. So werden aktuell von den Prüfstellen die allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisse (AbP) für nichtbrennbare Rohre und brennbare Rohre auf Basis von Streckenisolierungen ausgestellt, vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) dagegen Bauartgenehmigungen (AbG) für Abschottungen brennbarer Rohre mit brandschutztechnisch wirksamen intumeszierenden Baustoffen (Bandagen, Manschetten), seit einigen Jahren auch für nichtbrennbare Entsorgungs- und Versorgungsleitungen mit brennbaren Anschlussleitungen. Und wieder gibt es eine neue Anwendung: die Mischinstallation! Die Verwirrung ist also perfekt.
Durch die Novellierung der MBO im Jahr 2016 und die Einführung der Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) 2017 wurden die bisherigen Zulassungen durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) geändert und die Bauartgenehmigungen eingeführt. Ab sofort mussten für Europäische Zulassungen Bauartgenehmigungen beantragt werden. Hatte sich die Brandschutzwelt gerade daran gewöhnt, Rohrabschottungen mit CE-Kennzeichen zu errichten, war dies schon wieder Geschichte.
Bauart vs. Bauartgenehmigung
Eine Bauart wird mit Bauprodukten auf der Baustelle errichtet. Eine Bauartgenehmigung schreibt detailliert vor, wie eingebaut werden muss, damit die so errichtete Abschottung im Falle eines Brandereignisses auch brandschutztechnisch wirkt. Zusätzlich werden für die betroffenen Bauprodukte AbZ ausgestellt. Ein enormer personeller und kostenintensiver Aufwand wurde seitdem betrieben, um diese neuen Vorgaben umzusetzen. Tabelle 1 (siehe nächste Seite) zeigt eine Übersicht, in der die unterschiedlichen Anwendungen den entsprechenden Nachweisen zugeordnet sind. Die aufgeführten Verweise bei den AbPs sind in der MVV TB nachzulesen.
![Tabelle 1: Aktueller Stand der Verwendbarkeitsnachweise für Rohrabschottungen [2] - © bvfa Tabelle 1: Aktueller Stand der Verwendbarkeitsnachweise für Rohrabschottungen [2] - © bvfa](/sites/default/files/styles/responsive_default_s/public/2022-06/7ee7138a.jpg?itok=DeM7Is1e)
Die Praxis
In der Umsetzung erfordert dieses komplizierte Regelwerk sehr detaillierte Kenntnisse über die vollständige Leitungsverlegung sowohl vom Planer als auch vom Errichter der Abschottung. Es ist nicht realistisch, dass im Planungsstand wirklich jeder Werkstoff und Materialwechsel schon konkret feststeht, damit entsprechend die Zulassung gewählt werden kann. Sind Brandschutzanforderungen vorhanden, gibt es folgende Lösungsmöglichkeiten der Umsetzung:
Klassifizierte Rohrdurchführungen mit Verwendbarkeitsnachweis
Technisch kommen Streckenisolierungen bzw. durchgängige Isolierungen unterschiedlicher Art gerne in Verbindung mit intumeszierenden Bandagen zum Einsatz. Für brennbare Leitungssysteme gibt es Manschetten, intumeszierende Bandagen. Die Verwendbarkeitsnachweise werden immer detaillierter. Wurden vor zehn Jahren z.B. Isolierungen noch nach Isolierart unterschieden (Synthesekautschukisolierungen B1), so wird mittlerweile bei diesen Isolierungen jeder Produktname aufgeführt. Folgende Randbedingungen müssen vor Erstellung der Rohrabschottungen abgeklärt und beachtet werden:
Bei nichtbrennbaren Rohren gibt es bzgl. Leitungsbefestigung auch Vorgaben: Sind Dübel mit Brandschutznachweis verwendet worden? Sind die zulässigen Zugspannungen der Abhängungen eingehalten?
Übereinstimmungserklärung des Errichters und die Haftung
Wer Rohrabschottungen nach Verwendbarkeitsnachweis „errichtet“, trägt eine große Verantwortung. Es muss abschließend eine Übereinstimmungserklärung ausgestellt werden, in der erklärt wird, dass die Rohrabschottungen entsprechend dem Nachweis hergestellt worden sind. Diese Erklärungen haben es in sich. Kommt es zu einem Schadensfall, haftet der Errichter, wenn ihm nachgewiesen wird, dass er abweichend von den Vorgaben eingebaut hat. In der Praxis ist dies auch gar nicht so einfach. Oft sind die Kernlochbohrungen zu klein. Man hat so gut wie keinen Arbeitsraum zwischen Rohrdurchführung und Bauteillaibung, um die geforderte Isolierdicken aufzubringen. Leitungen mit großen Durchmessern liegen relativ dicht beieinander.
Können Vorgaben des AbP bzw. AbG nicht eingehalten werden, sollte frühzeitig der Hersteller der Rohrabschottung kontaktiert werden, um den Sachverhalt zu bewerten. Wird der Hersteller vor Planungsbeginn mit einbezogen, hält sich der Aufwand i.d.R. in Grenzen. Auf jeden Fall müssen die konkreten Einbaubedingungen bewertet und ggf. Kompensationsmaßnahmen festgelegt werden. Dies alles wird in einer Herstellererklärung dokumentiert bzw. eine „Nicht wesentliche Abweichung“ zu den Einbaubestimmungen des Verwendbarkeitsnachweises erklärt. Dann kann der Errichter abschließend guten Gewissens eine Übereinstimmungserklärung ausstellen.
Rohrdurchführungen nach den Erleichterungen der MLAR
Die Muster-Leitungsanlagenrichtlinie (MLAR) wurde 1988 erstmals erstellt. Man wollte mit dieser Technischen Baubestimmung dem Anwender einfache Umsetzungsregeln für die Erfüllung brandschutztechnischer Anforderungen bei Leitungsanlagen (Rohre, Kabel) an die Hand geben. Die MLAR hat im Laufe der Jahre einige Überarbeitungen erfahren. Sie muss von jedem Bundesland eingeführt werden. Die aktuelle MLAR (Fassung 10.02.2015, Ausgabe 3, 30.04.2021) [3] ist mittlerweile in fast allen Bundesländern eingeführt. Für nichtbrennbare Rohre und brennbare Rohre sind hier einige „Erleichterungen“ festgeschrieben, wie bei der Leitungsdurchführung bei Wänden mit Brandschutzanforderungen vorzugehen ist.
Randbedingungen MLAR ohne Dämmung (Abschnitt 4.3.1)
Wird eine Rohrdurchführung nach diesen Vorgaben verschlossen, ist man in Übereinstimmung mit geltendem Recht, erhält jedoch keine klassifizierte Abschottung. Dies wird häufig falsch verstanden. Jeder in der Brandschutzwelt weiß, dass ein nichtbrennbares Rohr ohne Dämmung mit einem Rohraußendurchmesser ≤ 160 mm, welches durch eine 80 mm dicke Massivwand ohne Brandschutzmaßnahme vermörtelt hindurchgeführt wird, die Anforderungen an klassifizierte Abschottungen (Temperaturerhöhung auf der feuerabgewandten Seite darf nicht höher als 180 K sein) nicht erfüllt. Dies war den Entscheidungsträgern bewusst. Es ist ein akzeptiertes Risiko des Staates. Deshalb ist es besonders wichtig, dass sämtliche Randbedingungen eingehalten werden. Eine Abweichung ist nicht zulässig.


Wieder neue Verwendbarkeitsnachweise
Am 29.11.2021 wurden die Hersteller von Brandschutzprodukten in einer Veranstaltung vom DIBt informiert, dass es die AbG ab 2026 in dieser Form nicht mehr geben wird. Stattdessen sollen „Anwendungsregeln“ durch das DIBt veröffentlicht werden. Danach sollen von den Prüfstellen AbPs erstellt werden. In diesem Jahr will man prüfen, welche Bereiche weiterhin Bauartgenehmigungen vom DIBt bekommen sollen. Ende 2022 gibt es dazu weitere Informationen.
Aus persönlicher Sicht gesprochen: Die Hersteller waren darauf nicht vorbereitet. Vier Jahre nachdem Bauartgenehmigungen aufwendig eingeführt werden, setzt man einen Prozess in Gang, um sie wieder abzuschaffen. Die Hersteller und Prüfstellen werden ein Jahr lang in Ungewissheit in der Warteschleife gehalten.
Fazit
Rohrabschottungen zu planen und zu errichten ist mittlerweile eine sehr komplexe Angelegenheit, wenn man in Übereinstimmung mit dem Baurecht agieren will. Die Umsetzung von Brandschutzanforderungen nach den Erleichterungen der MLAR ist einfach anwendbar, hat jedoch klare Grenzen. Aus Gründen des Anlagenschutzes empfiehlt die Autorin bei Neubauten, Sanierungsmaßnamen mit hohen Investitionen in Anlagen, immer Rohrabschottungen mit Verwendbarkeitsnachweis zu errichten. Die Errichtung von Rohrabschottungen nach Verwendbarkeitsnachweis setzt einen gewissen Sachverstand voraus, viele Aspekte müssen beachtet werden. Der Errichter haftet durch Ausstellen der Übereinstimmungserklärung. Bei Unsicherheiten sollte eine Fachfirma beauftragt werden.
Neu eingeführte Verwendbarkeitsnachweise für Mischinstallationen haben im Markt zu einer großen Verunsicherung geführt. Die Frage ist, ob diese Nachweise (erstellt nach einem Ad-hoc-Brandprüfszenario) wirklich gebraucht werden, um sicher zu bauen. Der Bundesverband Technischer Brandschutz (bvfa) hat zur Aufklärung ein öffentlich zugängliches Positionspapier erstellt.
Eine erneute Umstellung der Verwendbarkeitsnachweise kann nach Ansicht der Autorin nur angestoßen werden, wenn alle Akteure beteiligt werden. Davon sind wir noch weit entfernt.