Vorbeugender baulicher Brandschutz rettet Leben und schützt Werte. Eine Erkenntnis, die leider häufig erst durch tragische Ereignisse wie dem Brand im Londoner Grenfell Tower 2017 oder der verheerenden Brandkatastrophe am Flughafen Düsseldorf 1996 ins Bewusstsein gerufen wird. Entsprechend spielt der Brandschutz im Rahmen von Bauplanung und Bauausführung zurecht eine vorrangige Rolle. Dabei haben sich die Anforderungen und mit ihnen die Maßnahmen des baulichen Brandschutzes über die Jahre verändert und weiterentwickelt.
Von Peggy Schröer. In der in Deutschland geltenden Musterbauordnung wird in § 3 festgelegt, dass Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Kurz gesagt: Gebäude sollen so konzipiert sein, dass Bewohner und Nutzer eine Chance haben, das Gebäude im Brandfall in einer definierten Zeit verlassen zu können. Das Retten von Menschenleben steht dabei an erster Stelle.
Nicht immer logisch
Welche Anforderungen an Planung und Ausführung, an die baustoffherstellenden Industrien und Anbieter von Bauleistungen gestellt werden, lässt sich jedoch nicht einfach darstellen. In Deutschland liegt der Brandschutz in „Landeshoheit“. Entsprechend sind somit die in den einzelnen Bundesländern geltenden Landesbauordnungen zu beachten. Parallel gibt es diverse Verordnungen, Normen und Vorschriften, die zusätzlich einzuhalten sind. So stellen sich Begriffe wie MVV TB (Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung) und MLAR (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie) im Zusammenspiel untereinander nicht immer logisch dar.
Auch Begriffe wie abP (allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis), ETA (Europäische Technische Bewertung), abZ (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung) und im Gegensatz dazu festgelegte Konstruktionen nach DIN-Normen haben sich zwar im Sprachgebrauch eingebürgert, verändern sich inhaltlich aber stetig.
Beispiel MLAR: Sie wurde als „Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie“ eingeführt, ist aber schon lange kein „Muster“ mehr, sondern wurde in die einzelnen Landesbauordnungen als „Vorschrift“ übernommen.
Um in der Praxis Anforderungen dieser Richtlinie umsetzen zu können, hat sich der die Richtlinie begleitende Kommentar mit Anwendungsbeispielen mittlerweile zu einem Standardwerk unter Planern und Fachbetrieben entwickelt. Die MLAR beschreibt unter anderem konkret, wie Leitungsanlagen in Rettungswegen verlegt werden müssen und welche Regeln für die Durchführung durch klassifizierte Bauteile gelten.
Ohne Nullabstand geht es kaum noch
Aber auch Baustoffhersteller sind mit unterschiedlichen, sich stetig verändernden Anforderungen konfrontiert. Veränderte Bedingungen auf Baustellen, höhere Anforderungen durch fehlenden Platz vor dem Hintergrund steigender Quadratmeterpreise, die immer intensivere Zusammenlegung von Leitungen – Entwicklungen, deren „Spuren“ vielleicht am deutlichsten in den allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen abzulesen sind.
So stellen etwa leistungsfähige Rohrschalenlösungen nicht nur eine sichere Wand- und Deckendurchführung von brennbaren und nichtbrennbaren Rohren bis R120 sicher. Durch kontinuierliche Weiterentwicklungen seitens der Hersteller sind heute auch problemlos Rohr-Cluster oder -Reihen aus brennbaren und nichtbrennbaren Versorgungsleitungen im Nullabstand sowie eine Vielzahl von Sonderlösungen wie zum Beispiel SVB-Verbinder für Mischinstallation möglich.
Plan und Wirklichkeit – fachgerechte Beratung im Einzelfall ist gefragt
Insbesondere im Bereich der Technischen Isolierung gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Materialinnovationen, wobei Planer und Fachbetriebe eine fachgerechte Beratung im Einzelfall zu schätzen wissen.
Jeder, der sich schon einmal mit einem Plan für Branddurchführungen beschäftigt hat und dann auf der Baustelle steht, um die geplante Situation zu begutachten, weiß: Die Theorie mag mit Prüfzeugnissen abzubilden sein, in der Praxis bedarf es in der Regel aber weit mehr an innovativen und schlüssigen Detaillösungen.
Darüber hinaus bilden Gewerkeschnittstellen, zum Beispiel zwischen Trockenbau und Isolierung, nicht selten einen heiklen Punkt in der Umsetzung wirksamer Brandschutzmaßnahmen: Die täglichen Problemstellungen moderner Baumethoden und konventioneller Leitungsinstallationen stellen ein hohes Anforderungspotenzial an Fachplaner und Verarbeiter im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung dar.
Eine praxisgerechte Bauplanung und Koordination der Gewerke ist Grundvoraussetzung für eine mangelfreie und wirtschaftliche Ausführung.
Unterstützung vor Ort und im „Fire Competence Center“
Neben seinem Team aus eingespielten Fachplanern für gebäudetechnischen Brandschutz (EIPOS) und Sachverständigen für den gebäudetechnischen Brandschutz (EIPOS), die eine fundierte Beratung vor Ort und in enger Abstimmung mit Isolierern und Planern vornehmen, setzt beispielsweise Hersteller ISOVER auf eigene, umfassende Prüf- und Testkapazitäten. Im „Fire Competence Center“ am Standort in Ladenburg werden neue Produkte und Anwendungen auf einer Fläche von rund 900 Quadratmetern auf „Herz und Nieren“ geprüft.
Rohrschalen und Lamellenmatten werden hier unter anderem in einem Full-Scale Ofen mit den gleichen Abmessungen gemäß EN 1363-1 und ISO 834 getestet, wie er sich auch in den offiziellen Prüflaboren etwa der Materialprüfanstalt für das Bauwesen in Braunschweig findet. Und auch sämtliche Temperaturmessungen entsprechen den offiziellen Standards. Das Resultat der umfassenden Prüfungen: Die Entwicklungsdauer neuer Produkte und Systeme wird deutlich reduziert, eine schnellere Marktreife wird sichergestellt.
Teamwork macht wirksamen Brandschutz erst möglich
Neben der Erweiterung bestehender Prüfzeugnisse und der Beratung im Einzelfall gewinnt auch die Zusammenarbeit von Herstellern, etwa von Rohrherstellern, Dämmstoffproduzenten oder Entwicklern von Brandschutzsystemen etc., zunehmend an Bedeutung. So führt ISOVER beispielsweise regelmäßig gemeinsame Brandschutzprüfungen mit Rigips, Kaimann sowie PAM HES durch.
Einen guten Überblick über die leistungsstarken Brandschutzlösungen gewähren unter anderem die umfangreichen Webauftritte der Hersteller unter www.isover-technische-isolierung.de und www.rigips.de . Dort stellt Rigips auch seinen neuen „Brandschutzleitfaden für Leitungsanlagen in Verbindung mit Rigips-Systemlösungen“ zur Verfügung – einen umfassenden Ratgeber für Trockenbauer, Brandschützer, Isolierer und Brandschutzfachplaner. Die Planungsunterlage wurde mit dem Ziel erstellt, vorhandene Schnittstellenprobleme bei der fachgerechten Umsetzung von Leitungsanlagen und Trockenbaukonstruktionen zu minimieren.
Es zeigt sich: Gelingender Brandschutz benötigt mehr als Gesetze und Verordnungen. Er verlangt Kompetenz und Teamgeist. Denn erst durch die enge Abstimmung von Fachunternehmen mit beteiligten Planern und Brandschutzsachverständigen sowie den Herstellern unter anderem leistungsstarker Dämmsysteme entstehen zukunftsweisende Lösungen, die selbst höchsten Brandschutzanforderungen gerecht werden. Wenn für den Gebäudenutzer auch unmerklich, so schafft der vorbeugende Brandschutz doch vor allem eines: Vertrauen in die Umgebung.
Autorin
Dipl.-Ing. Peggy Schröer: Fachplanerin gebäudetechnischer Brandschutz (EIPOS), Gebietsleiterin Technische Produkte SAINT-GOBAIN ISOVER G+H AG
Der Beitrag ist auch in Ausgabe 3.2020 der Fachzeitschrift TI – Technische Isolierung (August 2020) erschienen. |
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